Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1898

Vereinen Theilnehmer herzugeströmt, die das Fest verschönern halfen. Außerdem waren mehrere Reichsrnths- und Landtagsabgeordnete von unserem Kronlande erschienen. Der Landtags-Abgeordnete Doctor Beurle hielt eine kurze, schwungvolle Ansprache, die stürmischen Beifall erweckte. Die anwesenden Sänger sangen nationale Lieder, die Turnvereine erfreuten das Publi- cnm durch ihre kraftvoll und elegant ausgeführten Uebungen, während "eine Abtheilung der Steyrer Bürgercorpseapelle concertirte. Prachtvoll ivar der Anblick der .Ruinenbeleuchtung, die der Pyrotechniker Städter aus Linz besorgte. Das Fest verlief in würdiger Weise und äußerst animirt. Bei der Gemeindevorstehungs-Wahl in Großraming am 23. August wurden der Oekonom Johann K o p f zum Gemeindevorsteher und zu Gemeinderäthen Stephan Rigler und Leopold Aspalter gewählt. Am 24. August Vormittags entstand im Anwesen des Adalbert Wondraschek in der Ortschaft Stiedelsbach ein Feuer, wodurch die Hütte, der Stall und der Dachstuhl eingeäschert wurden. Der Brand war durch den 8jährigen verwahrlosten Knaben Marcus Maderthaner aus Bosheit gelegt worden. Am 28. August hat sich der ledige, 29 Jahre alte Florian R e s ch, der einzige Sohn am Mayrgute zu Hauzenbach bei Maria Laah, in der Zeugkammer des großen Anwesens erhenkt. Der Bedauernswerthe zeigte seit längerer Zeit Spuren von Trübsinn und machte in einer momentanen Geistesstörung seinem Leben ein Ende. Dessen allgemein geachteter Vater hat vor mehreren Jahren auf ähnliche Weise geendet. Am 29. August hielt der neugegründete Kneippverein in slehr eine außerordentliche General-Versammlung ab, in welcher sich von der bisherigen Vereins- thätigkeit ein erfreuliches Bild entwickelte. Zum Zwecke der Erbauung einer eigenen Badeanstalt, für welche Maurermeister S ch o p p e r den Plan entworfen, bildete sich ein Consortium, das die Gesammtkosten per l 2.000 fl. sicherstellte und mit der Ver- einsleitung eine entsprechende Vereinbarung traf. Mit dem Baue des neuen Kneipp- vereinshauses am Bergerweg in Neuschönau wurde noch im folgenden Monate begonnen. In der Nacht zum 29. August stürzte der 48 jährige Hausbesitzer in Lteur Ferdinand Reisinger auf dem Trottoir nächst dem Bezirksposten in Steyrdorf in Folge eines Gehirnschlagflusses zusammen und starb am selben Tage Nachmittags in seiner Wohnung, ohne das Bewußtsein i erlangt zu haben. Im Laufe des Monats August waren zu Folge Veränderung der Einlieferungs- competenz an die Strafanstalten im Bereiche des Wiener Oberlandesgerichts-Sprengels aus der Strafanstalt in Garsten 40 Sträflinge in die Strafanstalt Stein überführt worden. Dieselben waren meistens Wiener Gewohnheitsverbrecher, welche auf ihre Schicksalsgenossen aus ■ der Provinz den denkbar schlechtesten Einfluß nähmen. Das Urndorser'sche Gasthaus am Schiffweg in Stepr kam Ende August um den Preis von 13.000 fl. in den Besitz des Privaten Carl R a i n c r. Bei der am 30. August in Kirchdorf stattgehabten Gemeindevorstandswahl wurde der bisherige Bürgermeister Paul S ch o d- terer einstimmig wiedergewählt. Zu Ge- meinderüthen wurden gewählt die Kaufleute Alexander L a ch m e i e r und Carl S a m u e l. Zum Schlüsse unserer Henrigen Chronik wollen wir noch einen kurzen Rückblick auf die allgemeine Entwicklung und das Leben in unserem Jndustriebezirke werfen. Die Land wirthschaft vor Allem kann das abgelaufene Jahr als kein günstiges bezeichnen. Der Sommer war ziemlich feucht, was zwar für das Wachsthum gut, für die Ernte selbst aber schlecht war. Alle Getreidegattungen lieferten höchstens nur mittelmäßige Ernte. Das Obst ergab mit Ausnahme von einigen geschützten Lagen eine totale Mißernte. Gemüse ist im Allgemeinen besser gerathen, doch ist bei den Kartoffeln ebenfalls eine große Mißernte zu verzeichnen. Betreffs der Eisenstraße ist seitens des Staates noch keine Entscheidung gefallen. Vorläufig hat das Land Oberösterreich die Wiederherstellung und Instandhaltung der Straße übernommen, wozu der Staat die Hälfte der Kosten (10.000 fl.) beiträgt. Außerdem hatte der steiermärkische Landesausschuß einen Beitrag von 8000 fl. zu den Herstellungskosten bewilligt. — Vor Kurzem hat die Regierung die Jn c amerirun g der Eisen straße bis zum Jahre 1899 in Anssicht gestellt, jedoch muß diese Angelegenheit vorerst vor das Abgeordnetenhaus kommen. Wenn wir von unseren heimischen Industrien sprechen, so müssen wir in erster Linie der Fahrräder-Erzeugung der Waffenfabrik Erwähnung thun. Das „Waffenrad" hat sich durch seine vorzügliche Construction, elegante Bauart, leichten Lauf, und besondere Widerstandsfähigkeit trotz der bedeutenden Concurrenz in der verhältnißmäßig kurzen Zeit einen ersten Platz in der Fahrrad - Branche erworben. Wer ein gutes Rad fahren ivill, kauft Waffenrad und die außerordentlich große Verbreitung desselben in den höchsten Kreisen und allen Schichten der Bevölkerung rechtfertigt den, dem Waffenrade eigen gewordenen Ruf, „die populärste Marke der Monarchie" zu sein, voll und ganz. Es

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2