Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1898

146 stiegen, so das; am 30. Morgens die stürmisch daher brausenden, schmutzigbraunen Wogen beider Flüsse ihre Ufer hoch überflutheten. Schon in den ersten Vormittagsstunden hatte das Hochwasser die Wasserhöhe des Jahres 1892 erreicht und bei unaufhörlichem Regen überstieg dasselbe sogar bis Mittags die Markirung vonr Jahre 1(372, Der Wasser- stand des Ennsflusses reichte am Enns- q uai weit über das Erdgeschoß, ebenso am Ortsquai, wo überall das Wasser die Keller füllte, die Hofräume überschwemmte und in die Parterrewohnungen, sowie in die Magazine der dort etablirten Geschäftsleute drang. Die am Ennsquai ausgeschlichteten Holzscheiter wurden weggeschwemmt. Auf der Enns schwammen Tausende von Holz- stämmen in allen Dimensionen hinab, wie auch entwurzelte Bäume, gebrochene Aeste, Holzscheite, Bestandtheile von weggerissenen Brücken und anderen Holzbauten. Großes Aufsehen erregte es, als die halbe Sand- brücke herabgeschwemmt wurde. — Biete Verheerungen verursachte besonders der wild daherbrausende S t e y r f l u ß und seine Fabriksarme. Alle tiefgelegenen Theile S teyr- dorf's zwischen dem Hauptarme und dem Wehrgraben waren instndirt. Die in den Erdgeschossen befindlichenWohnungen standen vollständig unter Wasser und mußten daher von den Bewohnern geräumt werden.' Der Verkehr war dort nur mittelst Kähnen möglich und in vielen Häusern, wie am Wehr graben, konnten die Bewohner höherer Stockwerke nur durch die Fenster über Leitern herabgelangen. In den Objecten der Wäffenfabrik mußte schon Morgens die Arbeit eingestellt iverden, alle Räumlichkeiten, besonders die der Fahrrad- Abtheilung, standen unter Wasser und der durch das Hochwasser angerichtete Schaden in denselben war ein sehr beträchtlicher. Das Materialmagazin beiin Objecte I, in welchem sich eine große Quantität Holzkohle befand, wurde von den Wogen weggerissen. Am meisten gefährdet war der äußere Tyeil der Fabriksinsel, das sogenannte E y s n f e l d, dessen Bewohner sämmtlich delogirt werden mußten. Den auf diese Art obdachlos gewordenen Parteien wurden von der Sta'dt- geineinde das Bürgerschulgebäude und auch die Räume der Jndustriehalle zur Unterkunft angewiesen. Wohl brach der Kugelfang der Fabriksschießstätte die Gewalt der heranbrausenden Wogen und der feste Damm zum Schutze des Eysnfeldes hielt wacker Stand, doch von beiden Seiten der Fabriksinsel fluthete zum Theil das Hochwasser darüber hinweg. Die Steyr führte weniger Holz mit sich als die Enns, da dasselbe bei den Triften und in den Auen im Oberlaufe festgehalten wurde. Dennoch verursachte dieser Fluß die größten Verheerungen, denn die wildschäumenden Wogen rissen die hölzerne S ch w i m in s ch u l b r u ck e in ihrer Gänze weg, welche Brücke dann den eiserne n F a b r i k s st e g beiin Pflügl'- schen Gasthause, sowie die hölzerne G s a n g b r ü ck e und den unterhalb derselben befindlichen sogenannten Gassteg mit der Rohrleitung zerstörte. Ein großartig schau- riges Schauspiel bot die in ihrer ganzen Breite sammt dem stehenden Kreuze herabschwimmende Schwnnmschitlbrücke, die an dein steinernen Joche der Steyrbrücke mit großer Gewalt zerschellte, so daß die Letztere erbebte. Ein Trüinmerhaufen wurde von den wild aufschäumenden Wogen weiterge- schleudert, wodurch der Radkasten der Maier'schen Kunstmühle demolirt und die vordere Mauer des Mühlengebäudes beschädigt wurde. In diesen Tagen trat der eminente Vortheil der drei eisernen Haupt- brücken unserer Stadt hervor, benn es ist sehr zu bezweifeln, ob diese Brücken in ihrer alten Holzconstruction den mächtigen Wasserflächen und den von ihnen herabgeschwemmten Holzmassen hatten Stand halten können. Besonders unangenehm fühlbar machte sich der Umstand, daß die Gas-, fabrik in Folge Jnundirung und Zerstörung der Rohrleitungen ihren Betrieb einstellen mußte, wodurch die Stadt bei Einbruch der Nacht in Dunkelheit gehüllt war, obwohl die durch den Bürgermeister der Stadt angeordnete provisorische Nothbeleuchtung überall, wo möglich, durchgeführt wurde. — Am 31. Juli Früh begann das Hochwasser etwas zu sinken, jedoch im Laufe des Tages schwoll die Steyr nochmals zu einer erschrecklichen Höhe an- so daß sieden Wasserstand des Vortages beinahe überstieg. Erst gegen Abend begannen die Hochwasfer- fluthen langsam aber stetig zu sinken. Als die beiden Flüsse nach einigen Tagen wieder in ihr Bett völlig zurück getreten waren, kamen die verheerenden Wirkungen, die das entfesselte Element verursacht, vollständig zu Tage. Außer den bereits erwähnten drei Brücken waren im Fabriksviertel noch mehrere kleinere Straßen-Verbindnngsbrücken weggerissen worden. Alle- int Jnundations- gebiete der beiden Flüsse gelegenen FabriksEtablissements, Werkstätten, Wohnungen, Magazine und Kellerräume waren verschlammt lind versandet; aus den letzteren mußte das Wasser mittelst der Dampfspritzen der beiden Freiwilligen Feuerwehren Steyr's ausgepumpt werden und die Reinigungs- und Wiederherstellungsarbeiten, die viele Tage angestrengter Arbeit erforderten, hatten mannigfache Betriebsstörungen sowohl in der Waffenfabrik, als bei vielen anderen betroffenen Industriellen im Gefolge. Ebenso wurde durch Naßwerden von Waaren, Werkzeugen und Maschinen großer Schaden verursacht. An den Ufern der beiden Flüsse hatte das Hochwasser viele Unterwaschungen'

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