Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1898

135 erschienen, welcher die feierliche Aussegnung der Leiche in der Schloßcapelle vornahm. Der Trauerzug, der sich im Schloßhofe rangiert hatte, fehle sich um 2 llhr Nachmittags unter dein Geläute sämmtlicher Kirchenglocken der Stadt in Bewegung und nahm seinen Weg über die Brücke des Schloß- grabens auf die Promenade, über den Pfarr- plah, durch die Pfarrgasse, über den Stadtplatz und die Steyrbrücke, und sodann durch die Kirchen- und Gleinkergasse zum Friedhof. Von dem Rathhause und vielen Häusern in den Straßen, die der Zug passirte, wehten Trauerfahnen, die Gaslaternen brannten und viele Geschäfte waren während der Begrüb- nißfeier geschlossen. Zu vielen Hunderten hatte sich die Bevölkerung auf dein ganzen Wege eingefunden und überall gab sich die tiefste Trauer kund. Der Leichen- zug entfaltete sich in folgender Ordnung: An der Töte des Zuges marschierte der Veteranenverein von Steyr, dessen Fahnen- pathin die Frau Gräfin war, mit umflorter Fahne, ihm folgten ebenfalls mit umflorten Fahnen die uniformirte Bürgergarde aus Steinbach, eine Deputation des Veteranenvereines Grünburg-Steinbach, der kathol. Arbeiter- und Gesellenverein, ferner Deputationen des Turnvereines Steyr, der beiden Freiwilligen Feuerwehren von Steyr sowie jener von Unterhimmel und des Gendarmerie- Bezirkscommandos. Hieran reihten sich die Bediensteten und Arbeiter des gräflichen Sägewerkes in Unterhimmel, die Forstorgane und Beamten der Herrschaft Steyr, sowie der auswärtigen gräflichen Besitzungen, deren drei das umflorte Trauerkreuz und die gräflichen Haus-Wappen trugen, die Zöglinge der Schutzanstalt in Steyr, Abordnungen der Kreuzschwestern und der Barmherzigen Schwestern, 28 Priester aus Nah und Fern und die eonduetführende Geistlichkeit mit dem hochwürdigsten Bischof unter Assistenz des Dechants und Vorstadtpfarrers Hochw. Johann Dürrnberger und drei Priestern. Der mit den gräflichen Wappen und prachtvollen Kränzen geschmückte Sarg wurde von acht Forstleuten getragen, während eine große Anzahl Forstbediensteter in Alpentracht vor demselben und zu beiden Seiten in langen Reihen schritten. Aus den gräflichen Besitzungen in Ungarn, Böhmen, Nieder- und Oberösterreich waren zahlreiche Beamte, Förster, Bedienstete, wie auch mehrere Patronatsgeistliche zur Leichenfeier erschienen. Hinter dem Sarge folgte der schwergebeugte Gemal Se. Excellenz Graf Franz von L am b e r g und viele hohe Herrschaften als Verwandte oder Freunde des gräflichen Hauses. An diese schlössen sich an: k. k. Statthalter Freiherr von Puthon, Landeshauptmann Baron Käst, Statthaltereirath Ritter Hugo von Heben- streit und der Präsident des k. K Kreisgerichtes Carl Hebenstreit mit den Beamten der k. k. Bezirkshauptmannschaft und des k. k. Kreisgerichtes, das Officierscorps des 10. Jägerbataillons mit seinem Commandanten Major von B o »e l l i, der Gemeinde- rath der Stadt Steyr mit Bürgermeister Redl, die Vorstände und Beamten aller öffentlichen Aemter, Vertreter sämmtlicher Anstalten und Korporationen, sowie sonstige Honoratioren der Stadt, mehrere Bürger- meister aus Orten des Enns- und Steyr- thales, sowie weitere Vertreter vieler Orte der Umgebung. Den Schluß des langen, imposanten Zuges bildete eine unendliche Zahl Leidtragender, in welcher alle Schichten der Bevölkerung, hoch und nieder, reich und arm, vertreten waren. Wenig geräuschvoll, wie ihr irdisches Wirken, war ihr Begräbnis;, nur Posaunenbläser und Chorsänger execu- tirten zeitweise die kirchlichen Libera. — Am Friedhofe angelangt, erfolgte die nochmalige Einsegnung der Leiche und als der Sarg in die neu errichtete Gruftstätte, welche sich an der linken Seite des erweiterten Friedhofes befindet, gesenkt wurde, feuchteten sich Vieler Augen mit Thränen aufrichtigen Schmerzes. — So hat sich denn das Grab über einer Frau geschlossen, wie man sie sich vornehmer, edler, nicht denken kann. Sie ist der Schutzgeist gewesen für Tausende in Steyr und seiner Umgebung. Ihr Wunsch war, auf Steyr's altehrwürdigem Friedhofe zu ruhen, und so wird denn ihr Grab eine Starte sein, wo alle Jene der hohen Frau noch nach ihrem Ableben danken können, denen sie mit so reicher, so milder Hand Wohlthaten erwies, und gewiß wird manch' bedrängtes Herz an der Gruft seiner ehemaligen Wohlthäterin Erleichterung finden. Ihr gesegnetes Andenken wird in den Herzen Aller, die sie kannten, fortleben fbis in die fernsten Zeiten. — Zu dem am 3. April Vormittags in der Stadtpfarrkirche in Steyr vom hochw. Bischöfe Dr. Doppelbauer unter zahlreicher Assistenz eelebrirten Requiem für weiland Ihre Excellenz Gräfin Anna von L a m b e r g hatten sich außer den Verwandten und anwesenden fremden hohen Trauergästen die Spitzen der Behörden der Stadt, sowie ein zahlreiches andächtiges Publicum eingefunden. — Die verstorbene Frau Reichsgrüsin hat laut T e st a m e n t vom 16. Februar 1891 u. A. zur Vertheilung an die Armen der Stadt Steyr 1000 fl. und der Schutzanstalt am Wieserfeldplatz in Steyr 3000 fl. legirt, sowie ein Capital von 50.000 fl. zu 'einer Stiftung gewidmet, dessen Interessen nach Zulänglichkeit an arme kranke Kinder durch die beide» hiesigen Pfarrämter in Betrügen von je 100 fl. zu »ertheilen sind. Auf diese letztere Betheilung haben Kinder, die nach Steyr zuständig und Kinder von Dienern der gräflich Lamberg'schen Herrschaft Steyr sind, Anspruch.

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