Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1898

114 Alle beitragen zu dein, was Allen nutzt. In die Gegenwart weiter verfolgt, würde dieser Gedankengang in Oesterreich den Wall begrüßen gegen die slavische Sült- fluth. Die Frage ist nur — und es soll nicht unbetont bleiben, daß sie sich öfter bange genug aufdrängt — ob das Bewußtsein der bezeichneten Aufgabe stets in jener Lebendigkeit erhalten bleibe, ohne welche sie nicht erfüllt werden könnte. Die Hochfluth steigt, und nicht Wenige zittern für den Damm. Es ist wie in den Entscheidnngsmomenten anderer Hoch- fluthen, wirklicher Ueberschwemmnngen, wo der Culturmensch für das Werk seiner Kunst zittert. Ist der ängstliche Gleichungspunkt der Gefahr vorüber, die Fluth verrauscht, so blickt er mit doppeltem Stolze auf deu braven Wall, der Stand gehalten. Daß Oesterreich auch seiner Aufgabe in der Gegenwart gewachsen wäre, dafür bürgt beiseit in jahrhundertelangen Stürmen erprobte und kampf- geübte Armee. Kurze KhroniK von Steyr und dessen Jndustriedezirk. Bon Anfang September 1896 bis Ende Angnst 1897. Wenn wir wieder darnngehen, alle Vorkommnisse von allgemeinerem Interesse, die sich im obigen Zeitraum in unserem Jn- dustrialbezirke zugetragen, in chronologischer Reihenfolge zu erzählen, so drängt sich uns dieWnrnehmung auf, daß die abgelaufene Zeit im allgemeinen keine glückliche genannt werden kann. Außer vielen" Unglücksfällen, die das Familienleben in engeren Kreisen getroffen, wurde besonders Industrie und Landwirthschaft durch die Ende Juli eingetretene Hoch- wasferkatastrophe derart geschädigt, daß es jahrelanger Arbeit und angestrengten Fleißes bedürfen wird, bis die nachhaltigen Wirkungen dieses Unglückes in allen Theilen wieder ausgeglichen sind. Wir werden an späterer Stelle hierauf eingehend zurückkommen, und beginnen nunmehr mit unserer detaillirten Berichterstattung. Am 1. September ging das Haus Nr. 7 am Stadtplatze in Steyr sammt dem darauf radicirten Apothekergewerbe und damit verbundener Sodawasser-Erzeugung von dem früheren Besitzer Dr. Wilhelm Siigler durch Kauf an seinen Sohn Apotheker Wilhelm Stigler über. Die bei einer Beamtenfamilie in Steyr in der Neuschönau bedienstet gewesene, 21 Jahre alte, nach Steyr zuständige Magd Julie Brandner entfernte sich am 3. September Abends heimlich aus ihrem Dienstorte und kehrte nicht mehr dahin zurück. Aus verschiedenen Umständen ließ sich schließen, daß die Brandner freiwillig in den Tod gegangen. Ihre Leiche wurde am 18. October in der Nähe der Ueberfuhr in Haidershofen, am Ennsufer angeschwemmt, aufgefunden. Den 4. September Nachmittags brach in dem Kleinhause des Franz K o l arsch in Christkindl ein Feuer aus. Der rasch erschienenen Feuerwehr von Unterhimmel gelang es, den Brand bald zu unterdrücken, so daß nur der Dachstuhl des ganz aus Holz erbauten Hauses abbrannte. Am selben Tage fand in der Restauration „Zur Bierquelle" in Steyr die con- stituirende Versammlung des Ortsverbandes der Arbeitervereine in Steyr statt. In Steyr starb am 7. September Fräulein Mathilde Hof er, Tochter der Eisenhändlerswitwe Frau Marie Hofer, nach schmerzvollem Leiden im jugendlichen Alter von 21 Jahren. Die Verblichene war eine treue Freundin der Musik und des Gesanges. An dem Leichenbegängnisse betheiligten sich alle Kreise Steyr's, insbesondere die Damenwelt, die Steyrer Liedertafel und deren Da- menchor, und diese sowohl, wie die zahlreichen duftenden Blumenspenden gaben beredtes Zeugniß für die große Werthschätzung und Liebe, welche sich die zu früh Verblichene in den Herzen Aller, die sie kannten, erworben. Am selben Tage Früh wurde im rückwärtigen Hofe der Jägercaserne in Steyr der" zur 3. Compagnie zugetheilte

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