Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1898

105 wie es die Nachrichten doch gewiß waren, welche die Alte heute auskramen konnte. Die Nachricht von der Wiederwahl ihres Eheherrn zum Bürgermeister ließ Frau Susanne kalt — das hatte sie erwartet zu hören und um diese erwartete Wiederivahl entsprechend feiern zu können, war im Prandstetterischen Hanse seit Wochen jeder Winkel gesäubert und alles blitzblank gescheuert, überdies Keller und Borrathskammer gehörig ergänzt ivorden. Daß Frau Susanne aber doch mit freudigein Stolz die Glückwünsche der alten Schachtelmayrin entgegennahm, ist begreiflich. In diesem Augenblicke trat Jungfer Margaretha zur Mutter, um über eine Kleinigkeit zu fragen, und jetzt war es der Alten, als ob sie plötzlich eine Hauptperson nil Hause Prandstetter geworden wäre. Jetzt konnte sie die Hauptsache, die sie zu vermelden hatte, mit dein gehörigen Erfolg auskramen. „Oh mein, oh mein, da ist ja die Jungfer Gretel!" rief sie >vie verzückt aus, schlug die Hände zusanlinen und lächelte geheimnißvoll, „für Euch hab' ich eine ganz besondere Nachricht — daß ich die Freud' noch erleben kann!" Und die alte Schachtelmayrin ergriff die feinen, iveißen Hände der Jungfer Margaretha und drückte dieselben über- schwänglich, wie es alte Leute thun, wenn sie au jungen Menschen, die sie heranwachsen sehen, eine große Freude erleben. Frau Susanne sah ihre Tochter Margaretha, die in Wuchs und Haltung und auch ivohl in der stolzen Schönheit das Ebenbild ihrer Mutter war, ob des Gebarens der Alten, wie Aufklärung erwartend, an, Jungfer Margaretha aber zuckte nur die Schultern und fragte die Alte etwas schnippisch: „Was faselt Ihr denn da vom Freud' erleben an mir? Was macht Euch denn gar so viel Lustbarkeit, daß Ihr mir wie ausgeMchsell erscheint?" „Oh, Jungfer Gretcl, wie soll ich denn nit voller Freud' sein", rief die Alte fast weinerlich, „jetzt, wo des Kaisers Majestät selber um Eure Hand gc- worben hat?" „Dil bist wohl von Sinnen, Alte", mengte sich Frau Susanne strengen Tones ein, „oder es hat Dir ein Spaßmacher gewißlich einen Bären ausgebun- den und noch dazu einen recht schweren!" „Genuß nit, Frau", betheuerte die Alte, die Hand auf's Herz legend, „der Thürhüter selber hat mir's erzählt und mir ganz anfgetragen, Euch das zu vermelden!" „Was denn, so redet doch endlich klar und ohne Umstände", riefen Mutter und Tochter durcheinander, denn ihre Neugierde war gewaltig erregt worden, „was sollt Ihr uns vermelden?" „Und für tuen hat des Kaisers Majestät um meine Hand geworben?" setzte Jungfer Margaretha in Aufregung ge- rathend hinzu. „Für einen gnädigsten Herrn Grafen, oder gar einen durchlauchtigsten Herrn Fürsten, so genau konnt ich mir die Red' nicht merken", sagte die alte Schacktel- mayrin mit wichtiger Miene, „soviel weiß ich aber gewiß, daß die Jungfer Gretel eine gar große Frau werden soll!" Einen Augenblick herrschte tiefe Stille im Gemach. Frau Susanne überdachte, daß die Sitte doch recht haben könnte, Beispiele für solche Fälle gab es ja, und es schmeichelte ihr nicht wenig, einen adeligen Schwiegersohn zu bekommen — wenn sich die Nachricht auch nur als wahr erwies und die Gretel einverstanden damit war und so ein mehrzackiges Krönlein nicht am Ende noch zurück- wies. Und Frau Susanne that einen forschenden Blick auf ihre Tochter, die sinnend zu Boden schaute und etwas verlegen an der Schürze zupfte. „Was vermeinst du wohl zu der dummen Red', Gretel?" fragte nun Frau Susanne, „ivas hältst du davon?" „Ich weiß wohl ebenso wenig Bescheid als die Frau Mutter", antwortete Jungfer Margaretha rasch und setzte, etwas das Mischen hochziehend, bestimmten Tones hinzu: „Aber warum könnt' das

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