Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1898

104 alten Manne großes Vergnügen zu bereiten und sein Gesicht verrieth dabei einen fast kindlichen Trotz, wie wenn er gesagt hätte: „Na, wartet nur, der Prandstetter kann sich seiner Haut schon noch erwehren!" Lächelnd wandte er sich nun dein Loren; zu, welcher ihm bislang mit einem Gesichtsausdruck zugeschaut hatte, wie Ulan eben beim Sehen von Dingen zu haben pflegt, die man oft selbst so und wohl auch in gleicher Absicht gethan. „Also unglücklich verliebt ist der ehr- samb Kaufherr Lorenz Gutbrod", sagte er, nicht ohne leisen Spott, „erzählt mir die Sache, vielleicht kann ich Euch rathen, oder gar selbst auch noch helfen! St. Georg, heut' hab' ich gar viel Antheil an aller Heiraterei, von wegen — na, das ist noch meine Sach allein, erfährt's schon noch! Also, wer ist das Hartherz, he?" Den Lorenz überkam jetzt ein förmlich Gruseln und er bereute fast seine Offenherzigkeit, allein er schüttelte den verliebten Hasenfuß mit einem Ruck von sich ab und dachte: „Was kann's kosten? Höchstens ein paar rauhe Worte', und dann — weiß ich doch Bescheid!" llnd so begann er zögernd Herrn Hans Prandstetter zu gestehen und sein Herz auszuschütten, so daß dieser sich gar bald über die Sachlage im Klaren war. Und gar inerkwürdig kam es dein Lorenz vor, mie ruhig ihn der Bürgermeister anhörte, ihn ausfragte, ihm zu- nickte, oder gar zustimmte, ilud das alles in so wohlwollender, fast ermunternder Weise, daß in das Herz des Lorenz neue Hoffnung einzog. Indeß waren sie bei der Ennsbrücke angekommen, zu der vom Ennsweg einige Sandsteinstufen hinanfführten. Da blieb Herr Hans Prandstetter stehen, sah den jungen Mann gar ernst lind durchdringend, aber gar nicht streng an, klopfte ihm mit dem Weidenstäbcheu vertraulich auf die rechte Schulter und sagte in rascher, übersprudelnder Weise, wie man es zu thun pflegt, wenn man einen plötzlich aufgetanchten Gedanken zum Entschluß gemacht hat: „Lorenz, Ihr habt Eure Sach' in keine schlechten Hände gelegt, das glaubt mir! Ich bitt' Euch aber fein zu schweigen darüber, bis ich selber beschließen werde, was da zu thun ist! — Wollt Ihr mir die Ehr' anthun und heut' bei mir zu Mittag essen?" „Mit so hohen Gästen —" wandte der Lorenz verwirrt und erschreckt ein, da er sich nicht denken konnte, wie diese so unvermittelt gegebene Einladung zu deuten sei, und dem auch wohl die Angst in alle Glieder fuhr, mit Jungfer Bärbel jetzt gar an einem Tische sitzen zu müssen. „Die essen nur aus meinen Schüsseln und nicht Euch", sagte Herr Haus Prandstetter trocken, reichte dein Lorenz die Hand und stieg zur Straße hinauf, die durch den Thurm in die Stadt führt. Als er droben war, wandle er sich auf der letzten Stufe nochmals um und sagte laut zu dem Lorenz hinüber, welcher noch ganz verblüfft dastand und die Pelz- mütze in der Hand drehte: „Ich erivart' Euch — kommt nicht allzu spät! Und grüßend an das Barett tippend, schritt er in den Schwibbogen des Thores hinein. ITT. Während der neugewählte , Bürgermeister einen Spaziergang gen Garsten machte, ging es in seinem Hause zu Stevr sehr lebhaft zu. Die Frau Bürgermeisterin hatte das Wahlergebniß alsbald erfahren, denn der städtische Thürhüter hatte es der unten beim Rathhausthore bereits harrenden alten Schachtelmayrin mitgetheilt, die imPrandstetterischen Hanse das Gnadenbrot als langjähriger Dienstbote genoß und sich jetzt gelegentlich dadurch nützlich machte, daß sie den Stadtklatsch verbreiten half und die Frau Bürgermeisterin von all den Sächelchen unterrichtete, die sich in der landesfürst- lichen Stadt Stehr tagsüber ereigneten und die, wenn sie auch nicht immer Quellen bildeten, aus denen die Weltgeschichte schöpft, doch oft wichtig genug für die Chronik der Stadt sein mochten,

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