103 jedem Hündedruck von Seite desselben lechzte, allerdings aus gewissen Gründen. Lorenz liebte seit langem des gestrengen Herrn Hans Prandstetter jüngeres Töchterlein und glaubte nicht ein= gebildet zu sein, wenn er annahm, daß er dem schönen Bärbel nicht gleichgiltig sei, allein zu einer Aussprache war es zwischen den jungen Leuten noch nicht gekommen, denn Jungfer Bärbel wußte, was sie sich und ihren Eltern schuldig sei, und ließ der Sache ihren Gang, der sonst gar nicht schüchterne Lorenz hatte aber nicht den Muth, dein Bärbel seine Neigung zn gestehen, denn erstlich überkamen ihn doch oft Zweifel, ob sie ihm auch gut sei, und dann, ja, und das war eben das „ja, dann", bei dein seine Gedanken jetzt hielten, was hätte Herr Hans Prandstetter wohl zu seiner Werbung gesagt, er, der reichste Mann der Stadt, zu dem zwar nicht armen, aber auch nicht allzu wohlhabenden Kanf- manne Lorenz Gutbrod! „Ja" und „Amen" konnte der junge Mann kaum verlangen auf einen Heirats- antrag zu hören, und so begnügte er sich vorläufig damit, in des Bürgermeisters Gunst und Achtung zu kommen. Was er aber jetzt aus dessen Munde an guter Meinung über sich gehört hatte, über- stieg seine größten Erwartungen weitaus und fast geschämig stammelte er hervor: „Aber — Herr Bürgermeister, Ihr beurtheilt mich wohl zn gut!" „Nichts da", lachte dieser hell auf, da ihn das verwirrte Gehaben des jungen Mannes baß ergötzte, „ist so, ivie ich sagte, ich schmeichle nicht und hätt's auch ivohl nicht nothwendig! Soweit wär' ich mit Euch, den ich von Kindesbeinen auf kenn', ganz zufrieden, aber — Eure ganze Wirthschaft taugt nichts, gar nichts, so Ihr nur in's Haus bringt, was Euch Gottes Gnade bescheert, und es nicht sorglich laßt behüten lind mehren! lind daran seid Ihr selber schuld, daß es im Haus dann nicht immer glatt abgeht. Fehlt eben die fürsorgliche und fürwal- teude Hand unter Eurem Dach — heiratet!"' Dem Lorenz wurde förmlich übel, als der Bürgermeister ihm so trocken anrieth, was er ohnehin im Sinne hatte zu thun, es aber nicht glaubte thun zu können, da er in dem Rathgeber das Hinderniß sah. Und jetzt keimte plötzlich in ihm der Gedanke auf, der Bürgermeister wisse um seine Liebe zu Jungfer Bärbel und wollte ihm durch den soeben gegebenen Rath zart audeuten, er billige des jungen Mannes Streben nicht und das „heirate" heiße so viel als: „Sieh' Du Dich nur um eine Frau um wo Du willst —- nur in meinem Hause nicht!" Er sah. deshalb rasch und prüfend den langsam neben ihm einherschreitenden Bürgermeister au, allein dessen Mienen verriethen durchaus nichts von dein ihm angesonnenen, hvchmüthigen Uebelwvllen gegen seinen Begleiter, im Gegentheil, sie drückten, wie es dem Lorenz jetzt scheinen wollte, gar viel Bekümmernis; aus, so daß er sich innerlich feines Nn- muthes gar bald schämte und wieder ganz weich wurde, und da entschlüpften ihm fast unwillkürlich die Worte: „Heiraten, das ist schnell gesagt, Herr Bürgermeister —" „Na", meinte der, stehen bleibend und sich aus einem am Wege stehenden Weidenbusche eine Ruthe aussuchend, „und auch bald gethan!" „Auch das, Herr Bürgermeister, aber — die ich mag, krieg ich nit, und die ich krieg, mag ich nit!" „So, so", machte es Herr Prandstetter und seine Augen zwinckerten, als überwinde endlich das Lachen seine schlechte Lanne, „also auch bei Euch ist Wollen und Können von anderer Leut Gnade abhängig? Ist doch eine recht verkehrte Welt das!" Er hatte jetzt das mit Elfenbein ansge- legte Taschenmesser ans einem Sacke seines Gewandes herausgenommen, klappte es sachte auf, prüfte dessen Schneide und schnitt dann die Weidenruthe ab, die er sich zu einem Spazierstöckchen ausgewählt hatte. Dann entblätterte er den Zweig und hieb ein paarmal damit durch die Luft, daß es pfiff. Das schien dem
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