98 fall zu der „spaßigen" Benierkung des Stadtrichters zu erkennen geben sollte, und selbst der gestrenge Herr Wolsgaug Jörger lächelte, aber so sein, daß sich die Fältchen aus seine mächtigen Augen- bögen nur zart, wie Spinuefäden, zogen, dann sagte er mit ebenso viel Höflichkeit als landesoberhauptlichem Wohlwollen im Tonfall seiner Stimme: „Ihr habt Recht, Herr Stadtrichter, in unserer getreuen Stadt Steyr ist es ein Vergnügen, als landesfürstlicher Commissär eine Wahl zu leiten — Eintracht ist ihrer Bürger schönste Zier! Wollt Ihr nun den neugewählten Bürgermeister vor uns geleiten!" Der Stadtrichter erhob sich und mit ihm die zwei rangsjüngsteu Rathsherren und alle drei verließen die große Raths- stube, in der jetzt ein feierliches Schweigen herrschte, nur Herr Georg Kernstock*), der ältere Bruder des Stadtrichters, der neben dem Vicedom saß, flüsterte diesem ein paar Worte zu, worauf derselbe, wohl absichtlich mit etwas lauterer Stimme mic Herr Georg Kernstock, lächelnd erwiderte: „Recht so — eine reiche Stadt braucht einen reichen Bürgeriueister!" Der edle Herr Jörger aber, welchem dieses Flüstern wohl nicht ganz zur Feierlichkeit des Augenblicks zu passen schien, sah erst den Vicedom vorwurfsvoll und dann Herrn Georg Kernstock verweisend an und sagte dann scharf! „Auch die Stadtrichter wählen die Stadt Sichrer jnst nicht aus armen Fa- niilien —", was auf die angesehene Familie der Kernstock's gemünzt war. lieber diese Worte des Landeshauptmanns geriethen die weisen Herrn vvm Rathe in einen förmlichen Lachkrampf, der sich jedoch nur in Gesichtsmuskel- verreuknngen ehrerbietig und pflichtschuldigst Luft machte, sogleich aber endete, als die hohe Flügelthür der großen Nathsstube sich jetzt meit anfthat nud ein städtischer Diener int federgeschmückten Hut uud grüner Sammtpumphvse darin sichtbar wurde und seine Hünengestalt stramm im Thürrahmen hinpflanzte, den prächtig mit feinster Eisenarbeit verzierten Stab so gewuchtig auf die Schwelle setzend, daß das Holzgetäfel der großen Rathsstube dumpf davon erklang und die Butzenscheiben der Fenster ein leises Klingen ertönen ließen. „Prächtig, Euer Thürhüter", raunte der Vicedom Herrn Georg Kernstock zu uud sein Blick enthielt etwas mic gnädige Zufriedenheit mit der Auswahl der städtischen Thürhüter, doch konnte der Vicedom kaum noch das Lächeln der Befriedigung sehen, das bei seinen Worten über Herrn Georg's faltiges Antlitz hin- überhuschtL, denn der Thürhüter hatte jetzt das Wort, und gemessen und allen gut vernehmlich klang eS anmeldend herein: „Der wohledle Herr Hans Praud- stetter, der landesfürftlichen Stadt Steher gewesener und neuerlich gewählter Herr Bürgermeister!" Und der Thürhüter pflanzte sich mit rascher Wendung baumlang neben der Thür auf, durch welche zuerst die beide« Räthe und hinter diesen der Stadtrichter mit dem neuen Bürgermeister zu seiner Rechten hereintraten. Die ersteren nahmen sogleich ihre Plätze ein, während die letzteren sich verbeugten und der Stadtrichter zum Landeshauptmann sagte: „Euer Gnaden, hier stell' ich Euch nach Brauch und Herkommen Herrn Hans Prandstetter, unsern nach Recht und Gesetz gewählten Bürgermeister, vor und bitte im Namen des Rathes und der Stadt, unsere Wahl, als nach dem von Jhro kaiserlichen Majestät uns huldvollst gegebenen Gesetz geschehen, gnädigst zu bestätigen!" Nun erhoben sich alle von den Sitzen, der Landeshauptmann nahm den Wahlact zur Hand und sagte feierlich: „Mein wohledler Herr Hans Prandstetter ! Die kaiserlichen, auch landesfürst- lichen Commissarii bekräftigen, daß Eure Wahl zum Bürgermeister der landes- *) Stadt Steyrer Stadtrichter in den Jahren 1512 und 1513.
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