Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1898

82 deutete: „Die Verhältnisse der Erythräa sind wieder normale geworden und gestatten uns, nnt männlicher Würde und Klugheit freie Entschlüsse über die Bestimmung der Colonic, wie sie am besten vereinbar sind mit unseren Interessen, zu fassen." Krankreich. Gleich dem Könige von Italien war auch der Präsident der französischen Republik Faure Gegenstand eines glücklicherweise erfolglosen Attentates. Am 14. Juli 1896 feuerte ein gewisser Frankois, als der Präsident gerade zur Revue von Longchamps fuhr, zwei Revolver- fchüsse auf das Staatsoberhaupt ab, ohne zu treffen. Als der der Mörderhand entgangene Präsident das Rcvuefeld betrat, wurden ihm lebhafte Ovationen gebracht, wie denn auch alle Monarchen Europas Faure ob des Miß- lingens des Attentates beglückwünschten. Ein zweites, am 13. Juni 1897 unternommenes Attentat auf den Präsidenten der französischen Republik blieb ebenfalls erfolglos. Als sich Faure au diesem Tage zu dem Nennen um den Grand Prix uach Longchamps bcgab, explo- dirte auf dem Wege, welchen er nahm, eine mit Pulver geladene Gußstahlröhre, ohne glücklicherweise Jemanden zu verletzen. Der Attentäter wurde nicht eruirt. Am 23. Juli 1896 und die folgenden Tage wurde iu Lille ein Socialistencongreß abgchaltcn, auf welchem es zwischen den deutschen und französischen Congreßtheilnehmern bereits in der ersten Sitzung zu erregten Debatten, ja selbst zu Raufereien kam; der Congreß mußte, weil sich auch auf der Straße blutige Excesse ereigneten, vorzeitig geschlossen werden. In einen förmlichen Rausch des Enthusiasmus versetzte die Bevölkerung Frankreichs der im Oktober 1886 erfolgte Besuch des russischen Kaiserpaares. Am ö. October 1896 betrat Kaiser Nikolaus II. rnit seiner Gemahlin in Cherbourg den französischen Boden; am 6. langte er in Paris an, um bis inclusive 9. in Frankreich zu verbleiben. Der Aufenthalt des russischen Kaiserpaares auf französischem Boden war durch eine Reihe ebenso glänzender als rauschender Festlichkeiten erfüllt. Flottenrevucn, Militärparaden, Bälle, TMätre parö-Borstcllungen, Diners und andere Festlichkeiten folgten in ununterbrochener Reihenfolge. In schwungvollen Tischreden wurden die Sympathien der beiden Völkerschaften feierlich bekundet, aber das Wort Bündniß oder Allianz war nicht gefallen, und die weittragenden Erwartungen, welche die Franzosen an den Besuch der russischen Majestäten knüpften, gingen nicht in Erfüllung. Spätere Kaiserzusammenkünfte stimmten diese Erwartungen noch um ein Bedeutendes herab. Im Monate März 1897 begann die bereits todtgeglaubte Panamaaffaire infolge der Enthüllungen Arton's wieder die öffentliche Meinung zu beunruhigen, und am 27. März kündigte der Präsident der Deputirtenkammer an, daß ihm seitens des Untersuchungsrichters ein Auslieferungsbegehren bezüglich dreier Abgeordneter (Alfred Naquet, Henri Wäret und Antide Bojer) zugekommen sei, während im Senate die Auslieferung des Senators Levrey verlangt wurde. Beiden Ausliefernngs- begehren wurde stattgegeben. Am 4. Mai 1897 wurde Paris vou einer entsetzlichen Brandkatastrophe heimgesncht, wie sie ein Gleiches nur in der Brandkatastrophe des Wiener Ringtheaters gefunden hat. An diesem Tage wurde der große Wohlthätigkeits- bazar, der alljährlich in der Ras llean 6oojon von den Damen der Aristokratie zu Gunsten der Armen und verschiedener Wohlthätigkeitsanstalten veranstaltet wird, durch einen Brand zerstört. Das Feuer, welches durch die Unvorsichtigkeit eines Angestellten jener Abtheilung, in welcher der Kinematograph vorgeführt wurde, entstand, brach oberhalb des Comptoirs der Herzogin von Uzes aus und verbreitete sich in dem Baue, welcher eine Länge von 100 und eine Breite von 60 Metern hatte und gänzlich aus Holz errichtet war, mit rasender Schnelligkeit. Binnen 10 Minuten stand Alles in Flammen. Im Inneren des Gebäudes, welches zur Ausbruchszeit des Brandes von über 1200 Personen besucht war, brach eine Panik aus, welcher Einhalt zu thun einige Comitömitglieder vergeblich versuchten. Alles wollte zu gleicher Zeit zu deu Thüren hinausstürzen, welche alsbald vollständig verstopft waren. Die Wachen bemühten sich, einen Ausgang für jene Persoueu freiznhalten, die sich vor Schrecken wie wahnsinnig geberdeteu. Herzzerreißendes Geschrei und Verzweiflungsrufe wurden vou allen Seiten

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