Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1898

81 Artikel I betrifft die Einstellung des Kriegszustandes; zwischen den beiden Ländern soll fortwährend Friede nnd Freundschaft bestehen. — Artikel II verfügt die Aufhebung des Vertrages vonUtschali. — Artikel III bestimmt die unbedingte Unabhängigkeit Aethiopiens. Artikel IV bestimmt: Da die vertragschließenden Theile sich über die definitive Abgrenzung ihrer Gebiete nicht geeinigt haben und von dem Wunsche geleitet sind, die Friedensunterhandlnngen dieser Divergenz halber nicht zu unterbrechen, so bleibt vereinbart, daß innerhalb eines Jahres vom Datum des Bertragsschlusses besondere Delegirte der beiden Regierungen die Grenze auf Grund eines freundschaftlichen Ucbereinkommens festsetzen werden. In der Zwischenzeit wird der Status gno anto nnd die Grenzlinie Mareb- Belesa-Mnna geachtet werden. — Artikel V: Bis zur definitiven Grenzbestimmung verpflichtet sich die italienische Regierung, kein Gebiet an eine andere Macht abzutreten, und würde, falls sie freiwillig irgend einen Gebietstheil abtretcn wollte, dieser wieder der äthiopischen Oberherrschaft anheimfallen. — Artikel VI: Zur Förderung der Handels- und industriellen Beziehungen kann ein weiteres Uebereinkommen abgeschlossen werden. — Artikel VII: Der gegenwärtige Vertrag wird von den vertragschließenden Theilen den Machten mitgetheilt werden. — Artikel VIII: Der Vertrag wird innerhalb eines Monates, voin Datum des Abschlusses gerechnet, ratificirt werden. Mit der rasch erfolgten Ratificirung dieses Vertrages war der italo-abessinische Krieg zum Abschlüsse gelangt. Aber auch dann konnten sich die Italiener noch keines ruhigen Besitzes ihrer afrikanischen Colonie erfreuen, denn im Monate Jänner wurde die Colonie von den Derwischen bedroht, welche sich jedoch, als die italienischen Truppen mit ihnen Fühlung gewannen, unver- richteter Dinge wieder zurückziehen mußten. Auch im Somali-Lande, woselbst Italien seit 1892 vom Sultan von Zanzibar gegen jährliche Entschädigung das Recht der Verwaltung und damit die thatsächliche Herrschaft über die Handelsplätze an der östlichen Küste erlangt und woselbst Italien znm Schutze seiner Handelsniederlassungen zwei Kriegsschiffe stationirt hat, kam es im November 1896 zu einem Aufstande. Generalconsul Cecchi wurde bei einer Expedition ins Innere des Landes nebst zwei Schiffscapitänen, Officieren und Matrosen anr 28. November 1896 von nomadisirenden Somalis überfallen und die Expedition znm großen Theile getödtct. Eine Colonne italienischer Matrosen nahm sohin zahlreiche Angehörige des schuldtragenden Stammes gefangen nnd bestrafte sie exemplarisch. Am 2. December endlich wurde die Ortschaft Gezira, wo einige der Schnld- tragenden wohnten, bombardirt und fünf in die Hände der Italiener gefallene Angreifer füsilirt. Die fortwährenden Reibungen in der erythräischen Colonie veranlaßten die Regierung Italiens, die allmälige Einschränkung des italienischen Interessengebietes in Erwägung zu ziehen, nnd ans Anlaß einer in der italienischen Kammer im Mai 1897 erfolgten parlamentarischen Erörterung der Afrikafrage machte Ministerpräsident Rudini der Kammer an der Hand trockener Nachweise das Einbekenntniß, daß all die schweren Opfer, welche in den letzten Jahren die Nation den erythräischen Plänen gebracht, die Hekatomben tapferer, dahinge- sunkener Soldaten, die mit bitteren Anstrengungen beschafften Summen umsonst dargebracht worden seien, und daß eine besonnene Beschränkung auf die anfänglich besetzten Gebiete zwar eine schwere Resignation, aber das einzige heute noch Mögliche bedeute. Auch die innere Politik Italiens konnte zu keiner eigentlichen Ruhe kommen. Nach wiederholten Ministerkrisen gelangte am 14. Juli 1896 ein neues Ministerium Rudini ans Ruder, in welchem de Rudini selbst die Präsidentschaft und das Innere, Visconti-Benosta das Aeußere übernahm, während die Portefeuilles der Marine an Brin, des Krieges an Pelloux, der Justiz au C o st a, der Finanzen an B r a n c a, des Schatzes an Luzzatti, der Arbeiten an Prinetti, des Unterrichtes an Gianturco, des Ackerbaues au Gnicciardini, der Post und des Telegraphenwesens an Sinco über- gingen und Codroachi Minister ohne Portefeuille wurde. Diesem Ministerium oblag neben der gedeihlichen Lösung .der complicirten inner- politischen Verhältnisse auch die Anbahnung der Entwirrung der afrikanischen Frage, welche Entwirrung König Humbert in der Thronrede, womit er am 8. April 1897 das neugewählte Parlament eröffnete, mit folgenden Worten an- 6

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