Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1898

79 Natur und Philosophie sich zu wahren wußten. — Am 11. Juli 1896 starb Ernst Curtius, einer der bedeutendsten Alterthumsforscher der Gegenwart, int Alter von 83 Jahren. Am 8. April >897 verschied in Berlin der Generalpostmeister des Deutschen Reiches, Staatssecretär Dr. Heinrich v. Stephan, der am 7. Jänner 1831 in der pommerischen Stadt Stolp als der Sohn eines Handwerkers geboren wurde. Er führte eine Reihe von einschneidenden Reformen iin Post- wesen ein. Seine bedeutendste Schöpfung war die Gründung des Weltpostvereines. Am 17. Juni 1897 starb in Wörishofen Pfarrer Sebastian Kneipp, der eifrige Apostel der Natur- und Wasserheilknnde. Am 17. Mai 1821 zu Stefansried bei Ottobeuern geboren, war er bis zum 21. Lebensjahre Weber, dann studirte er in Dillingeu und München katholische Theologie; am 6. August 1862 empfing er die Priesterweihe, 1866 wurde er Kaplan in Wörishofen und 1881 Pfarrer daselbst. Eine Erkrankung führte ihn im Jahre 1848 auf die Wassercur, die er dann int Sinne des schlesischen Landmannes Bincenz Prießnitz zu einem eigenen System aus baute. Italien. Wie im Herrscherhause Oesterreichs, so hat auch im Königshause Italiens eine Hochzeitsfeier stattgefunden, welche dem Volke Gelegenheit gab, seine warme Anhänglichkeit an seine Dynastie und seine freudige Theilnahme an Allem zu bekunden, was das Herrscherhaus selbst mit Freude erfüllt. Am 18. August 1896 erfolgte die Verlobung des Prinzen von Neapel, Kronprinz von Italien, mit der Prinzessin Helene von Montenegro. Die Feierlichkeit ging in Cetinje, der Hauptstadt Montenegros, vor sich. Am 11. October 1896 erfolgte dann zu Rom die Unterzeichnung der Ehepacten zwischen dem hohen Paare, wobei als Vertreter des Königs von Italien der italienische Minister des Aeußern Visconti-Benosta und der Justizminister Costa fungirten, während der Fürst von Montenegro durch die dortigen Minister des Aeußern und der Justiz vertreten war. Am 21. October betrat dann Prinzessin Helene in Bari den Boden Italiens, um unmittelbar nach der Landung in der Basilika zu Bari ihren Uebertritt zum katholischen Glauben zu vollziehen. Am 24. October erfolgte dann im großen Ballsaale des Quirinals die Civiltrauung des verlobten Paares durch den Präsidenten des italienischen Senates Herrn Farini und darauf in der Kirche Santa Maria degli Angeli die kirchliche Trauung. Noch ein zweites Ereigniß hat im Laufe der Berichtsperiode dem italienischen Volke Gelegenheit gegeben, seine Liebe für den angestammten'König zu manifestiren, und den Kundgebungen der Freude und der Anthcilnahme des italienischen Volkes schlössen sich diesmal mit besonderer Wärme auch jene der Herrscher und Völkerschaften der übrigen Länder Europas und insbesondere der mit Italien innig befreundeten Staaten des Dreibundes au. Dieses Ereigniß war die Rettung König Humbert's bei dem auf denselben am 22. April >897 zu Rom versuchten Attentate. Als König Humbert an jenem Tage um '/z3 Uhr Nachmittags mit dem ersten Generaladjutanten Ponzio-Baglia zum Derbyrennen fuhr, näherte sich vor dein Thore Sau Giovanni, zwei Kilometer von der Stadt entfernt, ein Jndividunm rasch dem königlichen Wagen und führte gegen den König einen Dolchstich. Derselbe schlug fehl, weil der König mit bewunderungswürdiger Kaltblütigkeit auswich, indem er sich im Wagen erhob. Der König, welcher glücklicherweise vollkommen unverletzt blieb, setzte die Fahrt nach dem Rennplätze fort. Nachdem der Attentäter den Stoß gegen den König geführt hatte, warf er den Dolch weg. Ehe der Verbrecher, ein 24 Jahre alter, in Arten« geborener, beschäftigungsloser Schmied- geselle Namens Pietro Acciarito, entfliehen konnte, wurde er durch zwei Carabinieri und einen Polizeiinspcctor verhaftet. Der König wurde bei seiner Ankunft auf dem Rennplätze mit lebhaften Beifallsrufen empfangen. Einige Minuten, nachdem der König die königliche Tribüne bestiegen hatte, brächte die Menge, da sich inzwischen die Nachricht von dem Attentate verbreitet hatte, dem Könige eine langandauernde stürmische Ovation dar. Die Diplomaten und die Behörden begaben sich alsbald auf die Tribüne, um den König zu beglückwünschen, welcher scherzend bemerkte: „Das sind die kleinen Annehmlichkeiten meiner Stellung." — Um i 6% Uhr Abends kehrten der König und die

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