Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1898

72 wird mit beut Etablissement Schwenker, van dem er ein Theil gewesen ist, verschwinden und einer Anzahl von Zinspalästen Platz machen. Mit dem am 13. Mai enthüllten Mvnu- mentalbrunnen von Professor Edmund Hel- mer, „Die Macht zu Lande" wurde der figurale plastische Schmuck der neuen Fayadc der kaiserlichen Hofburg in Wien gegen den Michaeler- platz vollendet. Der neue Monumentalbrunnen ist ein prächtiges Gegenstück des Wehr'scheu Monumentalbrunnens „Die Herrschaft zur See". Er stellt auf einer Art Felsenthron einen kraftvollen jugendlichen Krieger dar, der mit einer Ruhe, wie sie das Recht der Unanfechtbarkeit gibt, die anfechteudcn Gewalten der Tiefe in ihre niedrige Sphäre zurückschmettert. Eine Geberdc der erhobenen Rechten — und die Titanen stürzen, wie sie immerdar gestürzt sind. Der Ausdruck einer unwiderstehlichen Macht ist darin mit aller wünschenswerthen Einfachheit gegeben. Auf dein Gebiete des Verkehrswesens haben wir vor Allem der am 27. September 1896 seitens Sr. Majestät dcS Kaisers in Gegenwart der Könige von Serbien und Rumänien erfolgten Eröffnung des Canals durch das Eiserne Thor zu gedenken. Dauiit sind die letzten Hindernisse für die bis dahin durch Riffe, Schnellen, Strudeln und Wirbeln erschwerte Schisffahrt im unteren Laufe der Donau beseitigt worden. Die Bedeutung dieses Ereignisses kam in markanter Weise in der Rede zum Ausdrucke, niit welcher Kaiser Franz Josef I. den eben eröffneten Canal eiuweihte: „In diesem feierlichen Augenblicke, der uns vereinigt, um ein großes Werk der öffentlichen Wohlfahrt zu feiern, bin Ich glücklich, den Willkommgruß den Souveränen zweier befreundeter Länder zu entbieten, deren von den Gewässern der Donau bespülte Ufer in ihrer gegenseitigen Nähe die Gemeinsamkeit unserer Interessen symbolisiren. Die Arbeiten, mit welchen Oesterreich-Ungarn durch den in Berlin versammelt gewesenen Areopag betraut worden war, sind beendigt. Die letzten Hindernisse, welche dem freien Verkehr im Laufe des großen Stromes im Wege standen, sie sind beseitigt. Stolz auf die Mission, welche uns zugefallen erkläre Ich die neue Straße für eröffnet, und in der Ueberzeugung, daß dieselbe einen mächtigen und heilsamen Aufschwung der ebenso friedlichen I Entwicklung der internationalen Beziehungen geben wird, trinke Ich auf das Glück und auf ! das Wohl unserer Völker." Im Monate Mai 1897 erhielt der zwischen Oesterreich-Ungarn und Bulgarien abgeschlossene Handelsvertrag die Genehmigung der beiden Häuser des österreichischen Reichsrathes und erfolgte sodann dessen Ratification. — Bon besonderer Bedeutung für die Radfahrerschaft Nieder- österreichs war die Statthalferciverordnung vom 13. April, wodurch, vom 1. Mai angefangen, die Radfahrtaxen, der Nummern- und Prüfungszwang für ganz Niederösterreich aufgehoben worden sind. Diese Verordnung war eine Folge des am 7. März in der Volkshalle des Wiener Rathhauses abgehalteneu Radfahrertages und der darauf in den ersten Tagen des Monats April gefolgten Eugnete zur Regelung des Rad- fahrwesens in Niederösterreich. Am 6. Juni (Pfiugstsonutag) brach in Wien ein allgemeiner Strike der beim Verkehre thätigen Tramwaybediensteten (Conducteure, Kutscher etc.) aus, dessen Zweck im Wesentlichen eine Erhöhung der Löhne und eine Besserung des Systemes der sogenannten Ueber- und Unterbrechungsstunden war. Der Strike endete nach dreitägiger Dauer über Intervention der Stadt- und Staatsbehörden mit einer fast vollständigen Durchsetzung der Forderung der Bediensteten. Auf socialpolitischem Gebiete ist in erster Reihe das in der Berichtsperiode sanctiouirte Heimatsgesetz zu erwähnen, welches mit den letzten Ueberresten der früheren Armengesetz- gebung aufräumt und Jedermann im Staate den Erwerb einer Heimstätte ermöglicht, in der er sich als vollberechtigt und unantastbar fühlen kann. Den großen Städten und insbesondere Wien wird allerdings dieses Gesetz eine neue schwere Belastung bringen. Anfangs Juni 1896 brach in Neunkirchen in Niederösterreich, woselbst bereits seit April in der Eltz'schen Spinnerei ein partieller Strike herrschte, aus Anlaß der Delogiruug einiger Eltz'scher Arbeiter ein Generalstrike aus, welcher von der Coalition der Arbeitgeber mit der Einstellung der Arbeit in sämmtlichen Fabriken beantwortet wurde. Am 17. Juli nahmen die Arbeiter bedingungslos die Arbeit wieder auf, ohne durch den Generalstrike irgend etwas erreicht zu haben.

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