60 Vor drei Jahren, da stand sie hier an derselben Stelle. Reichlich flössen ihre Thränen, und ihre Hand ruhte in der des jungen Lieutenants vor ihr. Sie sollten scheiden, von einander Abschied nehmen für drei Jahre. Auch in dem Antlitz des jungen Mannes zuckte es verrätherisch, und abgerissen fielen die Trostesworte von seinen Lippen. „Treu bleiben .... ausharren . . . ., ihn lieb behalten!" bat er. Dann ein heißer Kuß auf die zuckende Mädchenhand, und fort war er gestürmt, ohne Umzuschauen. Sie hatte noch lange weinend unter der Linde gesessen und dem Vater gegrollt, der ihr das herbe Leid zu tragen auferlegt. Eine dreijährige Prüfungszeit verlangte der gestrenge Herr Papa für sein Töchterlein, damit sie sich für das ganze Leben binde. Sie sei noch viel zu jung, hatte er gesagt, als der Vetter Heinz um sie auhielt. Als ob nicht andere Mädchen sich auch schon mit siebzehn Jahren verlobten! — Die ausbedungene Frist über sollte der Vetter Heinz dazu benützen, fleißig auf der Kriegsakademie zu studiren und nebenbei die Freuden und Genüsse der Großstadt kennen lernen. Kehrte er dann nach glänzend bestandenen Examen heim und schlug sein Herz noch ebenso warm für sein blondes Bäschen, und hatte eben dies Bäschen ihr Herz inzwischen keinem Anderen zugewandt, dann wollte der Vater weiter mit sich reden lassen. So lautete der Ausspruch des gestrengen Herrn Commandanten der Festung S . . . . Asta bat und stehte, selbst die Frau Mama legte Fürsprache ein, es half Alles nichts. Nicht einmal ein Brieflein hin und wieder ward gestattet. Jeder sollte allein mit sich fertig werden, nicht der Eine den Andern beein- slnssen. Als ob sie je untren werden würde! — Als ob sie je einen Anderen als ihren Heinz würde lieben können! — Mochte ihr der reiche Rittergutsbesitzer auf Schloß Bronsa auch noch so sehr den Hos machen und ihr von seiner herrlichen Besitzung und seinen schönen Pferden vorschwärmen, was verschlug ihr das! — Schloßherrin, ei, das klang wohl hübsch, und reiten that sie für ihr Leben gern, aber lieber mit ihrem Heinz in einer elenden Hütte hausen, als in Glanz und Wohlleben an einen ungeliebten Mann gekettet zu sein! — Nein, nein! — Und nun gar jenes dürre, bewegliche Männlein mit dem langen Vollbart und dem kurzgeschorenen Kopf. Es war schier zum Lachen, stellte sie in: Geiste ihren Heinz mit dein weichen Schnurrbart und dem üppigen, leicht gewellten Haar daneben! — Nein, nein, Heinz und kein Anderer, so hatte es stets lant in ihr gerufen, wenn sich Bewerber um sie bemühten. Heute wurde Heinz zurückerwartet. Er hatte es an den Vater geschrieben, daß er kommen würde. Es war Sonntag, und wie gewöhnlich an diesem Tage stand auch heute allen Freunden nnd Bekannten das gastfreie Haus des Commandanten offen. Das wußten sie Alle. Wer kommen wollte, kam, er wurde freundlich begrüßt von der liebenswürdigen Hausfrau und fand sein Plätzchen an der reich gedeckten Tafel. Vom Oberst herab bis zum jüngsten Lieutenant des in S. in Garnison liegenden Regiments verkehrten Alle gern beim Commandanten, der, obgleich unerbittlich streng in dienstlichen Angelegenheiten, im eigenen Hause in reizendster Weise den Wirth zu nmchen verstand. Besonders die unverheirateten Officiere sprachen oft in der Commandantur vor, denn ihnen bot die kleine Stadt so gut wie gar keine Zerstreuungen, und sie waren daher froh, den Sonntag nicht in einer der beiden wenig verlockenden Kneipen oder im Casino, das direct neben der Kaserne lag, zubringen zu müssen. Das schöne Frühlingswetter lockte hinaus in den Park, der sich an das große Dienstgebände anschloß, und vorsorglich hatte Asta Bälle, Reifen und Croquetspiel zurecht gelegt, da sich die junge Welt wohl würde im Freien tummeln wollen. Dann aber war sie zu ihrem Lieblingsplätzchen geeilt. Nicht im Beisein lachender, gleichgiltiger Menschen,
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