Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1898

58 das Theuerste, das mein Herz je besessen." „Schade, daß ich nicht gestorben bin", konnte Werner nicht umhin, bitter ein- zusch alten. Doch Elsa fuhr ruhig fort: „Wärst Du aber als Sieger zurückgekehrt, mit Stolz hätte ich Dir anvertraut, was ich bin und habe. Da kam die Enttäuschung: Du lehntest ab; Du ließest Dich vor aller Welt einen Feigling nennen! Mein Bräutigam ein Feigling! Es erkältet, wenn mau sich seines Bräutigams schämen muß!" Der Assessor war außer sich vor Empörung und Schmerz. „Genug, übergenug!" stöhnte er auf. „Willst Du mich noch mehr beleidigen?" Sie zuckte die Achseln. „Das wollte nicht viel sagen, Dn läßt Dich ja öffentlich ungestraft beleidigen. Höre mich zu Endes In Ehrensachen habe ich die Ansichten meiner Eltern und unserer Gesellschaft; von meinem zukünftigen Gatten verlange ich dasselbe." Der Commercienrath rieb sich heimlich zufrieden die Hände. Er hätte seine Tochter- für ihre Worte küssen mögen. So nahm doch nun wenigstens die unliebsame Verlobung ein gewünschtes Ende. Elsa hatte sich jetzt erhoben und war bis zur Thüre gegangen, um sich zu verabschieden. Kaum eines klaren Gedankens fähig, eilte Werner auf seine Braut zu, und verzweifelt rang es sich von seinen Lippen: „Denke an unsere Liebe, an unser Gelübde, Elsa! Was willst Du thun?" Sie wandle ein wenig den Kopf zurück. „Meinen Adel, meine.Hcrknnft opfere ich Dir gern, Erich; meine Ehre aber niemals — ich habe nicht mehr den Muth, sie Dir auzuvertraucn!" „Ist das Dein letztes Wort, Elsa?" Sie blickte den vor ihr Stehenden einen Augenblick wie zögernd an, dann sah sie auf ihren Vater; ein flüchtiges Roth färbte ihre Wangen, um gleich darauf einer tiefen Blässe Platz zn machen. „Mein letztes Wort," hauchte sie. „Lebe wohl!" Mit gesenktem Haupte verließ Elsa das Zimmer, nnd wenige Minuten später schloß sich die Thür auch hinter Werner. Während der Assessor, ohne Zweck und Ziel, anfs Höchste erregt die Straßen entlang eilte, loderte ein wilder Haß in ihm gegen ihre Verblendeten und ihre Verbündeten auf. Auch das Wesen also, das er wie eine Göttin verehrt und angebetet hatte, gehörte zn dieser Gesellschaft, auch Elsa war nichts mehr als ein mit Phrasen, leeren Modeformeln vollgepfropftes Kind der Welt — es war zum Rasendwerden! Da wollte es das Unglück, daß gerade in dieser unheilvollen Stimmung des Assessors Lieutenant von Stein säbel- rasselnd die stille Straße entlang kam. Als die Beiden aneinander vorbei mußten, maß Stein den Assessor mit einem verächtlichen Blick von unten bis oben. Da schoß Erich heiß das Blut zu Kopf; er hielt nicht mehr länger an sich; der Jähzorn packte ihn. Und dicht vor seinen Gegner hintretend, erklärte er ihm kurz und heftig, daß er sich mit ihm schlagen werde. Ein verächtlichesAuflachenwarStein's Antwort. „Sie scheinen vergessen zu haben, daß der entlassene Reserveofficier für mich nicht mehr satisfactionsfähig sein kann!" rief er mit schneidendem Höhne. Doch kaum hatte er ausgesprochen, da stürzte sich Werner, seiner Sinne kaum mehr mächtig, auf den Lieutenant und versetzte ihm ein paar heftige Schläge ins Gesicht. „Hier—! So werde ich Sie zwingen, mir Genugthuung zn geben, erbärmlicher Wicht!" brach es in wildestem Grimm von seinen Lippen. - Lieutenant von Stein hatte sofort den Säbel gezogen. Der Assessor aber riß ihm denselben aus der Hand. Dann schleuderte er ihn seinem Gegner vor die Füße und rief verächtlich: „Sie sind des Degens nicht mehr würdig!" Nur wenige Menschen waren Zenge der erregten Scene gewesen. * *

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