Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1898

54 liche Ehre anzutasten. Eine Züchtigung, wie sie der Lieutenant erhalten, dünke Werner die einzige verdiente Entgegnung auf dessen beleidigende Aeußerungen gewesen zu sein. Nachdem der Secundant die Erklärung des Assessors betroffen angehört hatte, empfahl er sich, indem er einen Blick höchster Verachtung auf Werner warf. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die unerhörte Neuigkeit von des Assessors Weigerung, sich mit dem Lieutenant zu schlagen, unter den Officieren, die natürlich sämmtlich über eine solche offenbare Nichtachtung ihrer Principien entrüstet waren. Infolgedessen wurde dein Assessor — als Rcserveofficier — sein Abschied nahegeMt; und seine früheren Kameraden hielten es fernerhin nicht mehr für nöthig, ihn zu grüßen oder seinen Ruf und Namen zu respectiren. Werner hatte das vorausgesehen; er kannte die Gesellschaft und ihre Ansichten, willig opferte er seiner besseren Ueberzeugung den Degen und reichte sein Abschiedsgesuch ein. Gerade hatte er den Brief, der dasselbe enthielt, versiegelt, als seine Mutter in das Zimmer trat; sie beobachtete sein bleiches, verstörtes Gesicht, dann fragte sie mit ängstlicher Miene, ob ihm vielleicht etwas fehle. Aus Schonung für die alte Frau hatte Erich bis jetzt noch kein Wort von der unseligen Affaire zu Hause verlauten lassen, doch seinen Abschied aus dem Officiersstande konnte er ihr nicht verheimlichen, und sie mußte auch den Grund wissen, weshalb er ausgetreten war; deshalb erzählte er ihr nun auf ihre Frage so ruhig als möglich alles, was sich zugetragen hatte. Bestürzt hatte die Mutter den Worten ihres Sohnes gelauscht. Mit vor Rührung bebender Stimme sagte sie endlich: „Gott wird Dir's lohnen, Erich, daß Du an Deine Mutter dachtest und Dein Leben zu hoch achtest, um leichtsinnig damit zu spielen. Ich vergesse Dir's nie, mein Sohn." Kaum hatte Frau Werner wieder das Zimmer verlassen, als ein Bote einen Brief von: Commercienrath von Holm für den Assessor brächte. Derselbe enthielt die Bitte, am nächsten Tage zwischen ein und zwei Uhr bei dem Commercienrath vorsprechen zu wollen. „Es wird des Duells wegen sein," sagte er sich; „Elsa's Vater wird aus meinem eigenen Munde die Geschichte hören wollen." Der Assessor hatte vielleicht eine Stunde gearbeitet, ohne gestört zu werden, da wurde abermals an die Thüre gepocht. Werner erhob sich, um zu öffnen. „Guten Tag, lieber Assessor! Ah, ich sehe, Sie haben gearbeitet; lassen Sie sich weiter nicht stören. Nur eine Minute!" „Bitte, Herr Amtsgerichtsrath, Ihr Besuch ehrt mich; ich stehe Ihnen zu Diensten." Amtsgerichtsrath Sommer war, obgleich ein Vorgesetzter des Assessors, doch für diesen immer ein väterlich wohlwollender Rathgeber und Freund gewesen, deswegen berührte es Erich auch jetzt höchst angenehm, daß der alte Herr ihn ausgesucht hatte, sicher doch, um ihm zu sagen, daß er recht gethan, das Duell abzulehneu. Die beiden Herren nahmen Platz. „Was mich eigentlich hersührte, Herr Assessor," nahm der Rath das Wort, „ist die unglückliche Geschichte mit dem Lieutenant von Stein; Sie wissen ja. Aber, lieber Herr, was haben Sie denn gethan, wie konnten Sie das Duell ab- lehnen? Die ganze Gesellschaft ist entrüstet, die Offieiere sind empört über Sie! Es ist in der That bedauerlich, und Sie thun mir leid, Assessor, aber Recht kann ich Ihnen nicht geben!" „Wie — was — Herr Rath, und das sagen Sie — Sie, den ich bis jetzt nur als gerechten, unparteiischen Mann kennen gelernt habe? Ja, offen gestanden, gerade von Ihnen erwartete ich meine eigene Meinung bestätigt zu hören. Darf ich vernehmen, weshalb Sie mir diesmal Unrecht geben?"

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