Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1898

52 Die Champagnerpfropfen knallten, die Gläser wurden gefüllt, und dann stieß man auf das Wohl des Landesherrn miteinander an. „Lxrvpos, da wir vorhin gerade von dem schönen Geschlechte sprachen," meinte jetzt einer der Theiluehmer, „so möchte ich nicht verfehlen, den Kameraden die Mittheilung zu machen, daß wieder ein reizendes Blondchen die Schönheiten unserer Stadt vermehrt hat. Ich versichere, ein famoser kleiner Küfer ist sie; Locken, um sich drin zu verfangen, und ein paar Augen, reine Nixenaugen; dabei der unberührte Schmelz frischer Jugend und Unschuld — es ist zum Entzücken!" „Sie scheinen ja noch furchtbar ideale Ansichten von den Weibern zu haben! Schmelz, Jugend, Schönheit — ist ja Alles Schwindel!" rief Stein mit schon etwas unsicherer Stimme. „Na, aber hören Sie mal, es gibt doch noch Ausnahmen," protestirte einer der Officiere. „Keine Ausnahmen; ' ich kenne die Weiber." Stein's Blicke flogen bei seinen letzten Worten wieder zu Werner hinüber. Erich furchte die Stirn, schwieg aber. Ein junger Hauptmann meinte jetzt: „Ich kenne die neue Schönheit, die Sie meinen, ebenfalls, Kamerad; aber finden Sie nicht auch: dem Fräulein Elsa von Holm, der jetzigen Braut des Herrn Assessors hier, kommt doch Keine gleich. Sie ist und bleibt die Krone von Allen!" „Natürlich! In der That, der Assessor ist ein Glückskind; wirklich zu beneiden, Herr Assessor, um Ihr Fräulein Braut!" So rief man Werner zu, obgleich die Herren doch wissen mußten, wie peinlich das für ihn war. Nur Einer an der Tafel schwieg: dem Lieutenant war die Kehle wie zugeschnürt vor Groll und Erbitterung gegen den Assessor. Aber der verhaßte Nebenbuhler sollte nicht triumphiren; er raffte sich zusammen; seine Stimme klang hart und scharf, als er jetzt zu sprechen anhub: „Ich finde es unbegreiflich, wie die Aristokraten unserer Stadt so mir nichts Dir nichts ihre Töchter verschleudern können. Die Herkunft eines Mannes repräsentirt seine Ehre, und man erwartet doch allgemein mehr Ehre von einem adeligen Ossicier, als von einem ,Bürgerlichen', der es vielleicht einer Geldsammlung seiner mildthätigen Basen und Tanten verdankt, daß er studiren durfte. Ich finde es dreist, daß so ein Emporkömmling sich in die adeligen ■ Familien drängt, um Jagd auf die Töchter derselben zu machen, damit durch eine Heirat sein Name die Taufe erhält, die ihn in der Gesellschaft möglich machen soll." Der Lieutenant schwieg. Die anderen Officiere sahen einander erstaunt an. Stein aber heftete jetzt einen herausfordernden Blick auf Werner, worunter sich dieser wie elektrisirt erhob. Zornbebeud und bleich vor Erregung trat er auf den Lieutenant zu. „Sie werden augenblicklich Ihre Worte, die sich offenbar auf mich bezogen, zurücknehmen!" rief er, und in seinen Augen leuchtete es unheimlich. .„Meine Herren," waudte er sich jetzt an die Officiere, die sich zum Theil von ihren Plätzen erhoben hatten, „Sie waren Zeugen der groben Beleidigung, die mir der Lieutenant Stein zufügte. Vor Ihnen Allen wiederhole ich deshalb: Wollen Sie, Herr Lieutenant, augenblicklich Ihre Worte zurücknehmen?" Stein ließ ein lautes, trunkenes Lachen vernehmen. „Wenn ich eine Beleidigung sagte, so bezog sie ein Parvenu auf sich!" schrie er mit lallender Stimme. Da — ein schallender Backenstreich brannte auf des Lieutenants Wange. Ein einziger Griff und Stein hatte den Säbel gezogen; doch die anderen Officiere fielen dem Wüthenden in den Arm, als er auf den Assessor losgehen wollte. Werner aber verließ, ohne weiter ein Wort zu verlieren, das Local. Am nächsten Tage befand sich, der Assessor gerade bei der Arbeit in seinem Studirzimmer, als an die Thür gepocht wurde uud gleich darauf ein aristokratisch aussehender Herr eintrat.

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