Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1898

51 Mann mit Waffen des Wortes und des Geistes nicht ebenso seine Ehre vertheidigen könnte, wie mit der Pistole oder dein Degen in der Hand!" Erich hatte aufgeregt gesprochen, seine Augen sprühten förmlich Funken. „Also Du bist ein entschiedener Gegner des Duells, mein Sohn?" „Natürlich, Mutter. Nach meiner Meinung müßten es alle Söhne sein, sobald sie ihrer Eltern gedachten und sich vorstellten, daß die, die ihnen das Leben gegeben haben, die sie von der ersten Stunde ihres Lebens au geliebt und mit Angst und Sorge großgezogen haben, damit sie einst im Leben einen nützlichen Platz in der Gesellschaft ausfüllen könnten - daß die Eltern ein Recht an das Leben ihrer Kinder haben und die Kinder deshalb dasselbe schonen müssen, nicht aber es den falschen Ansichten der Gesellschaft opfern dürfen." „Mein lieber Erich, Du bist brav!" sagte Frau Werner mit vor Rührung zitternder Stimme. „Ja, Mutter, eher wollte ich vor aller Welt ein Feigling heißen, ehe ich dieses Lob, diese Worte aus Deinem Munde eine Stunde früher, als es das Schicksal bestimmt, entbehrte." Süße Blnmendüfte schwebten durch den Garten; das Mondlicht zauberte weiße Rosen in das dunkle Laub; die Linden wogten im Winde und die Sterne am Himmel funkelten auf zwei glückliche Menschen herab. * * „Kellner, die Weinkarte!" Der Kellner brächte das Verlangte und wartete dann etwas abseits auf den abermaligen Wink der Herren. „Was trinken wir: Rheinwein oder Bordeaux, Burgunder oder Seet?" „Ich meinestheils bin entschieden für Seet; zur Feier des Tages muß man sich das leisten!" meinte Lieutenant von Stein, ein Mann von hoher, schlanker Gestalt, sorgfältig gescheiteltem Haar, schneidig gewichstem Schnurrbart" und etwas schlaffen Gesichtszügen. Die übrigen fünf am Tisch sitzenden Herren waren — außer dem Assessor Werner, der als Reserveofficier heute nur ausnahmsweisezurFeiereines patriotischen Gedenktages Uniform trug — ausschließlich active Officiere. Werner war mit einem dieser Herren näher befreundet; weil er aber die übrigen Officiere nur sehr oberflächlich kannte, und vor Allem das Zusammensein mit dem Lieutenant von Stein gern gemieden hätte, so war es erst den dringendsten Bitten und Zureden seines Freundes gelungen, ihn zu bewegen, mit am gemeinsamen Tisch Platz zu nehmen. Schon bei der Begrüßung seines Nebenbuhlers war dem Assessor dessen unhöf- liches, fast verletzendes Betragen ausgefallen; später aber hatte Stein ein paar spitze Aeußerungen gethan, die nicht dazu geeignet waren, Werner's Stimmung zu beleben. Deshalb sprach der Assessor auch nur wenig dem Weine zu und verhielt sich schweigsamer und zurückhaltender als sonst. „Also Champagner! Kellner, zwei Flaschen Monopol!" Werner sah unruhig nach der Uhr. „Sie wollen doch nicht schon fort, Herr Kamerad?" fragte einer der Herren. Lieutenant vonStein zuckte dieAchseln. „Der Herr Assessor wird gewiß sehnlichst erwartet," warf er etwas spöttisch hin. „Wie meinen Sie das, Herr Lieutenant?" fragte Werner. Stein lächelte. „Ei nun, wer nicht liebt Wein, Weib, Gesang," trällerte er; dann richtete er sich energisch auf und meinte, immerfort lächelnd: „Da Sie der Wein nicht fesselt, werden es höchst wahrscheinlich die Weiber sein." Einige der Anwesenden lachten. In Erich's Augen blitzte die Erregung auf. „Allerdings werde ich erwartet, Herr Lieutenant, aber von meiner alten Mutter. Um Sie übrigens völlig zu beruhigen, werde ich noch bleiben." „Gott, wie rührend!" rief Stein unter der Maske liebenswürdiger Verbindlichkeit. Der Kellner brächte den Wein. 4*

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