50 bald vielleicht könnt Ihr auf dein Friedhof meinen Hügel schmücken — bald." Das letzte Wort begleitete ein schmerzliches Seufzen. Sie horte feste, eilige Schritte nahen, und tvährend sie soeben noch dankbar ihres einzigen, so guten Sohnes, der für seine Mutter arbeitete und sorgte, gedacht hatte, sah sie ihreuLiebling auf sich zueilen. „Grüß' Gott, Mutter! Noch im Garten? Es ist heute Abend aber auch herrlich draußen!" „Es ist schön, Erich, daß Du kommst; lind nicht wahr, nun bist Du doch fertig mit dem Arbeiten; Du mußt Dich nicht so überanstrengen." „Ach was, Mutter, ich bin jung und gesund, und meine Pflicht ist es, für uns Beide zu sorgen." Der Assessor Erich Werner war ein hübscher, stattlicher junger Mann mit sympathischen, Energie und Selbstbewußtsein ausdrückenden Zügen. Fleiß, Bildimg und fester Wille hatten ihn zu dem gemacht, was er war, und ihm einen angesehenen Platz in der Gesellschaft gegeben. Seinem hübschen Gesicht, dem anziehenden Blick seiner treuen Augen, seinem dunkeln Kraushaar und fsotten Schnurrbart verdankte es der junge Assessor, daß Elsa, die schöne Tochter des Commercienrathes von Holm, sich sterblich in ihn verliebte. Diese Liebe wnrde erwidert, und das junge Mädchen hatte es endlich, doch erst nach vielem Widerstand, bei ihren stolzen, ehrgeizigen Eltern durchgesetzt, sich mit Erich Werner verloben zu dürfen. Da Elsa schön nnb zugleich reich war, war es kein Wunder, daß sämmtliche Elegants der Stadt demAssessor seinen errungenen Sieg mißgönnten. Vor Allein war da ein junger Lieutenant von Stein, dem Erich's Braut gefiel und der den glücklichen Bräutigam haßte, weil er ihn als den Dieb seines Glückes betrachtete. Erich ließ sich neben seiner Mutter nieder, um ein wenig mit ihr zu plaudern. Den Brennpunkt des Gespräches der Beiden bildete wie gewöhnlich Elsa von Holm. Frau Werner liebte das Mädchen schon jetzt wie eine Tochter; doch zuweilen mischte sich unwillkürlich ein leises Bangen in die Frage: Wird Erich auch einst mit Elsa ganz glücklich werden? Wird seine Liebe einzig und allein im Staude sein, die Kluft zu Überdrücken, welche bürgerliche Einfachheit von den Verhältnissen, in denen Elsa ausgewachsen war, trennte? „Glaubst Du wirklich, meiu Sohn, daß Deine Braut immer deu Vorurtheilen ihrer Eltern die Stirne bieten wird?" fragte sie den Assessor. „Aber, Mutter, welche Frage!" erwiderte er. „Elsa liebt mich! Hat sie nicht schon ihren Adel nud reiche, vornehme Bewerber um meinetwillen verschmäht? Uebrigens ist ja die Zeit der Ungewißheit vorüber, wir sind verlobt und werden in nicht allzuferner Zeit heiraten. Wie glücklich wollen mir dann alle drei zusannnen leben; wie wird Dich Elsa pflegen und lieben, Mütterchen!" Der Zeitungsträger brächte das Abendblatt. Erich nahm es in Empfang und durchlas flüchtig die Localuachrichten. Sein Auge haftete einige Momente iuteressirt auf einer Notiz, worauf er das Blatt heftig zusammenfaltete und bei Seite legte. „Schrecklich, entsetzlich!" sagte er gedankenvoll vor sich hin und schüttelte bedauernd den Kopf. „Was ist denn wieder geschehen, Erich? Doch kein Unglücksfall?" fragte Frau Werner neugierig. „Schlimmer als das, Mutter, ein Todtschlag, den die sogenannte Ehre gebietet und den leider auch die Gesetze zu nachgiebig betrachten; in unserer Stadt hat wieder einmal ein Duell stattgefunden. Ein junger Arzt wurde dabei erschossen und hat seine Frau und Kinder mittellos zurückgelassen! Wieder einmal um nichts anderes, als um einen Ehrbegriff, den man lieber Vornrtheil nennen sollte; ein thatkräftiger Mann aus der Gesellschaft gerissen, weil es einem Raufbolde eiufiel, seine persönliche oder die Ehre seiner Familie anzugreifen. Als ob ein
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