Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1898

48 düng, als ob er sich vor ihr entschuldigen müsse. Wenn ihr etwas zu Ohren käme von diesen albernen Possen, an denen er doch ganz unschuldig war? Sehr ärgerlich, wahrhaftig! In dieser Stimmung traf ihn der Bote des Telegraphenamtes, der ihm eine Depesche überbrachte. Er erschrak heftig. Seine Mutter war schon seit Langem schwer leidend. Seine Besorgniß erwies sich indessen als unbegründet — es war die dritte Gratulation. Nun wurde er wüthend. Er beschloß, sofort zu eruiren, von woher dieser merkwürdige „Aprilscherz" seinen Ausgang genommen. Er kleidete sich an. Zum nächstwvh- mnden Gratulanten wollte er sich begeben. Nachdenklich schritt er dahin. Das an- muthige Gcsichtchen der Beleidigten tauchte wieder vor ihm auf, die blauen, thrünen- gefüllten Augen schienen ihn anzuklagen. „Na, vielleicht läßt sich die Sache auf diese Weise gut machen!" rief Otto, plötzlich mit sich selber redend, laut aus. Die Passanten sahen ihn an und lächelten, aber darum kümmerte er sich nicht. Er schien mit einem wichtigen Entschlüsse ins Reine gekommen zu sein . . . Als Otto in der feierlichen Kleidung, mit Claque und Frack, aus dem Fiaker stieg, da wies Adele's ehrwürdige Mama auf die Straße hinab und sagte: „Das Mittel hat gewirkt, er kommt nun, um sich von mir Deine Hand zu erbitten. Nun geh' rasch in das Speisezimmer; ich werde ihn im Salon empfangen, und wenn ich dann sage: Meine Einwilligung haben Sie, mein Herr, wissen Sie aber auch, ob mein Kind, von dem ich mich sehr schwer trennen würde, Ihre Neigung erwidert?' dann stößt Du den bewußten leisen Schrei des Entzückens aus, läufst heraus und fällst ihm um den Hals. Nun auf Deinen Posten nnd auf das Stichwort anfgepaßt!" Otto zeigte sich ungemein verwirrt, sein gutmüthiges Antlitz war hoch gerpthet vor freudiger Erregung nnd er schien sich beinahe seiner Rolle zu schämen. Man mußte ihm zu Hilse kommen, dem guten Jungen. Die Dame des Hauses, legte denn auch sofort wieder die feierliche Miene ab, die ihn zu sehr irritirte, und ließ Freundlichkeit und mütterliches Wohlwollen aus ihrem Gesichte leuchten. „Sie werden erstaunt sein, mich in dieser Toilette vor sich zu sehen, gnädige Frau," begann er, während sich sein Gesicht um eine Nuance dunkler färbte. „Ich bin nicht überrascht," flötete die Dame mit ihrer süßesten Stimme, „das Herz einer Mutter ahnt oft Dinge, von denen sich unsere Weltweisen nichts träumen lassen." Das Citat war entschieden falsch, ihre „Ahnung" gleichfalls. „Gestatten Sie, daß ich vor Ihnen," so fuhr er muthiger fort, „mein Herz aus- schütte, wie vor einer wirklichen Mutter. Sie und Ihr Fräulein Tochter, welches ich außerordentlich hochschätze und verehre, gaben mir in der kurzen Zeit, wo Sie die Güte haben, mich zu empfangen, schon so zahlreiche Beweise von Antheitnahme und Freundschaft, daß es mir ein wahres Herzensbedürfniß ist, zuerst Ihnen von meinem Glücke Mittheilung zu machen. Ja, ich glaube hiezu gerade verpflichtet zu sein, da Ihr Fräulein Tochter, welches ich außerordentlich hochschätze und verehre, ja eine aufrichtige Freundin meiner Emma ist!" Die Dame fuhr so schnell empor, als ob in dem Fauteuil Plötzlich eine Spiralfeder sich losgerissen und sie in die Höhe geschleudert Hütte. — „Ihrer Emma?" Otto nickte glückselig und berichtete in sehr aphoristischen Sätzen, wie man den Namen seiner jetzigen Braut zu einem höchst unpassenden Aprilscherz benützt habe, wie er sich eben dadurch erst seiner still- verborgenen Neigung bewußt geworden und zu dem plötzlichen Entschlüsse gekommen sei, sie vor unangenehmen Folgen dieser Taktlosigkeit dadurch zu bewahren, daß er um ihre Hand anhalte. Seit einer' Viertelstunde sei er im Besitze ihres Jawortes. In diesem Augenblick ertönte im Nebenzimmer der „Schrei des Entzückens". Er klang für die vielen Proben entschieden nicht melodisch genug. (0. T.-B.)

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