Ein Aprilscherz. Als der junge Mann mit einem respect- vollen, fast schüchternen Abschiedsgruß die Thüre hinter sich geschlossen hatte, da hielten es die beiden zurückblcibenden Damen, Mutter und Tochter, nicht mehr für nöthig, ihrer Miene Zwang auzuthuu. „Es ist zum Verzweifeln, Mama!" rief die Tochter, während sie bedauernd die Achsel zuckte. „Wir dürfen nicht mehr weiter- geheu; >vir dulden eine Vertraulichkeit von ihm, die uns noch bloßstellen wird, wir brachten!hin bereits in derraffinirtestenWeise und in den mannigfachsten Variationen das Stichwort, bei dem sich ein Mann von einiger Lebensart erklären muß, und er erklärt sich nicht, er verliert keinen Augenblick seine Unbefangenheit." „Er ist von einer Unbeholfenheit, die mir in meiner langjährigen Praxis noch nicht vvrgekommen ist," bestätigte die würdevolle Mama. „Dn hast mich zu vernünftig erzogen," sagte das Mädchen, mechanisch in einem culturhistorischen Romane jüngster Mode blätternd, „als daß ich an lange währende Liebschaften Behagen finden könnte; sie discreditiren zn sehr Ich glaube zwar, dieses schüchternen Anbeters sicher zu sein ..." „Du warst auch des Cassenfabrikanten sicher. Adele, und trotzdem hat ihn Dir eine Andere weggenommen." Adele crröthete leicht. „Wenn ich in der Wahl der Mittel so wenig wählerisch gewesen wäre, wie meine damalige Concurrentin! Jetzt stehen die Dinge aber wesentlich anders." „Du warst abermals so unvorsichtig, den jetzigen Candidaten mit einer.Freundin' bekannt zu machen," wendete die Mutter ein. Das Mädchen machte eine geringschätzige Handbewegung, als ob sie etwas sehr Leichtes in die Luft werfe. „Emma," sagte sie lachend, „die arme, einfältige Emma, welche verwirrt wird' und erröthet, wenn sie ein Mann an- blickt! Mama, ahnst Du denn nicht, daß ich sie sozusagen als Folie verwende, daß sie bloß der Schatten ist, der mein Licht umso Heller soll leuchte» lassen?" Aber auf welche Art sollte man Otto zu einer Erklärung veranlassen? Auch hiefür wußte die Mama Rath. Die in derlei Listen wohlerfahrene Frau entwickelte ihren Plan. Adele lauschte aufmerksam den Erörterungen und unterbrach mit keinem Worte. Die Mutter hatte geendet; sie blickte triumphirend auf ihr Kind. „Nun, was sagst Dn?" „Ausgezeichnet, Mama, und bestimmt zum Ziele führend; doch drängt sich mir ein Bedenken auf. Wir setzen Emma auf diese Art einem unverdiente» Spott aus." „Mein Gott, es ist ein harmloser Aprilscherz, nichts weiter, und bei solchen Späßen darf man nicht krankhaft wählerisch nnd empfindlich sein. Uebrigens, wenn Dn nicht einwilligst . . . Der Stand einer Sitzengebliebenen, einer .alten Jungfer', hat allerdings auch seine Reize! . . ." Adele willigte schließlich mit Vergnügen ein. Sie lachte im Vorhinein herzlich über den famosen, lustigen Aprilscherz. Am Abend des einunddreißigsten März erhielt Otto der Schüchterne von einem Freunde ein Schreiben, in welchem ihm zu seiner Verlobung mit Emma aufrichtig graMtct wurde. „Ach, ein Brief, der offenbar von der Post »in einige Stnnden zu früh zugestellt worden ist!" Es ärgerte ihn aber aufrichtig, daß mau den Namen eines guten bescheidenen Mädchens zu einem so wenig gelungenen Scherze mißbrauchte, aber er tröstete sich schließlich auch damit, daß man au die Sitte des Aprilschickens nicht einen allzu strengen Maßstab anlegen dürfe. Sein Unmuth steigerte sich, als er am nächsten Morgen ein zweites Gratulationsschreiben von einem zweiten Freunde erhielt. Das begann bereits taktlos zu werden. Vor seinem inneren Auge erschien das Bild des blonden Mädchens, er sah ihre treuen, blauen Augen vorwurfsvoll auf sich gerichtet, und er hatte beinahe die Empfin-
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