Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1898

44 bin, erträglich machen. In einer unseligen Stunde, durch ein unüberlegt verpfändetes Wort habe ich mein Glück, ein Glück, welches mir jetzt, wo ich es in ein Nichts versinken sehe, fast überselig dünkt, verscherzt. Ich bin gezwungen, Ihren Antrag abzulehnen! O, fragen Sie mich nicht: warum, Graf Niko, ich bin ein thörichtes, eigensinniges Geschöpf, eine Närrin gewesen! Seit gestern Abends befinde ich mich in einem Zustande grenzenloser Verzweiflung. Ich überlege, grüble, weine! Aber es hilft Alles nichts. Sie wissen, was ein Ehrenwort bedeutet! Gott schütze Sie, Nikolaus! — Es hat nicht sollen sein! Barbara." Wie ein Wahnsinniger, mit wildflammenden Augen, den soeben erhaltenen, offenen Brief von Barbara Otterstein in der Hand, stürmte Graf Lieven die Treppe hinab, nach dem in der unteren Etage gelegenen Zimmer des Oberst von Donnersberg. „Nanu, was hast Du denn, tvas ist denn los?" Der alte Herr, die Zeitung in der Hand, lehnte in der Sophaecke und blickte voll Verwunderung in das wilderregte und schmerzlich zuckende Gesicht des Pflegesohnes. „Es ist aus, Alles aus! Nach Afrika will ich gehen, wenn ich aus dem Inhalte dieses Briefes klug werde!" rief stöhnend der Graf. „Was, aus? Was, Afrika? Glaubst Du denn, ein vernünftiger Mensch könne Dich verstehen, mein Junge!?" fragte der Onkel, das Monocle ins Auge klemmend. „Vater sie — Barbara - hat mir einen Korb gegeben, weist mich zurück!" kam es zögernd, aber ähnlich einem Schluchzen aus des jungen Mannes Munde. ' „Alle Wetter, das — das ist nicht möglich! Das kann nicht sein!" Der alte Herr war aufgesprungen und starrte den Sprecher ganz ungläubig an. „Doch, Vater! - So lies nur einmal dieses unselige Schreiben!" „Her damit!" Erregt riß der Oberst dem Sohne das verhängnißvolle Papier aus der Hand und überflog es rasch. Dann aber brach er in ein schallendes Gelächter aus und ließ sich mit dem ganzen Gewichte seines schweren Körpers wieder auf das Sopha fallen. „Vater, was hast Du denn? Allmächtiger Gott, das ist doch nicht zum lachen! Ich liebe Barbara, liebe sie wahrhaft — heiß, glühend, bis zum Wahnsinn, habe sie vor sieben Jahren schon geliebt und seitdem vergeblich gerungen, ihr Bild aus meinem Herzen zu reißen, und Du — Du lachst!?" „Herzensjunge, sei nicht böse, aber die Geschichte ist gar zu komisch!" pustete der alte Herr, indem er sich die Seiten hielt. „Tragisch, meinst Du wohl? Dieses Stück Papier zerstört mir jede Lebens- hoffnung!" rief in anfwallender Bitterkeit der Graf. Endlich hatte sich der Oberst einigermaßen gefaßt und fragte scheinbar ernst, allein mit schalkhaft zuckenden Mundwinkeln : „Sag' mal, Du weitgereister Mensch, hast Du in Deinem Leben schon einmal etwas von der Zuckerzange gehört?" „Zuckerzange? Das ist doch ein Ding, mit dem !" „Jawohl, mit dem alle gebildeten, wohlerzogenen Leute sich Zucker nehmen", fiel ihm der Oberst ins Wort. „Und gerade unsere schöne, kleine Excellenz gehört zu den Frauen, die sich durch den kleinsten Verstoß gegen gute Sitte und Anstand leicht verletzt fühlen. Ich hoffe doch, Niko, Du wirst gestern beim Kaffeetrinken die Zuckerzange manierlich ge- handhabt haben, wie?" Der alte Herr hätte plötzlich zu ihm chinesisch reden können, so vollständig verblüfft, fast blöde starrte Niko jetzt in dessen gutmüthiges heiteres Gesicht. So viel ich mich zu entsinnen vermag, habe ich diese Zuckerzange gar nicht in die Hand genommen, die Existenz eines solchen Dinges gar nicht einmal

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