43 Hausordnung der schönen Frau, in seine Tasse gleiten. Mein Gott, was war denn das? Ihr Bewußtsein wollte ihr schwinden; sie faßte nach der Stuhllehne und strich sich über die Stirn. Allgütiger Himmel, die entsetzliche Zuckerzange - das dem Onkel verpfändete Wort! Alles tauchte mit Blitzesschnelle vor ihrem Geiste auf, und ebenso vermeinte sie dessen halb prophetischen Ausdruck zu vernehmen: „Kind, vielleicht hast Du jetzt, um einer eigensinnigen Laune willen, Dein Lcbens- glück verscherzt!" Bald siedenheiß, bald eisigkalt rieselte es Frau .Barbara durch die Glieder; kaum vermochte sie ihre Erregung vor dem Gaste noch zu verbergen. Sollte es die Strafe sein für ein um solch einer Bagatelle wegen so leichtsinnig verpfändetes Wort? War sie eine Närrin gewesen, solch kindischen Ausspruch zu thun? Wie nichtig und gering erschien ihr jetzt Alles, was sie noch vor einigen Tagen gesagt und gedacht, gegen das, was heute, jetzt im Moment ihr Herz bewegte! „Die Benützung der Zuckerzange wäre Haupt- bedingung von allen Tugenden, die sie bei einem zweiten Gatten voraussetzte!" hatte sie geäußert. O, lächerlicher, kindischer Wahn! In diesem Augenblick hätte sich sich strafen mögen für ihren Eigensinn. Aber das Wort, das schreckliche Wort — —! Daß ihr Busen hoch und mächtig wogte und die Flügel ihrer feinen Nase zitterten, konnte dem Grafen unmöglich verborgen bleiben. Vielleicht auch mochte er von seinen eigenen Empfindungen auf die ihren schließen, weil auch er seine Wünsche männlich bekämpfte. Sie jetzt zu offenbaren, hielt er noch nicht für angebracht. Indem er die halbgeleerte Tasse aus der Hand setzte, sprang er plötzlich auf und sagte mit fliegendem Athem: „Excellenz - gnädigste Frau - ich möchte nicht länger stören! Ich glaube, auch mein Pflegevater wird mich schon erwarten, es ist bereits spät." „Ja, ja, der Onkel! Sagen Sie ihm, ich hätte sehr bedauert," stammelte sie, als sie sich vom Sitze erhob und ihre Fingerspitzen nur leise in seine Rechte legte. Nach wenigen Minuten sah sich Bar bara allein. -i- -i- * Wieder war eine endlos lauge, qualvolle Nacht vorübergegangen. Den nächsten Vormittag saß die schöne Frau über ihren Schreibtisch gebeugt, aber sie hatte bereits zwei beschriebene Briefbogen bei Seite geschleudert und bemühte sich eben, einen besseren, passenderen Anfang zu ersinnen. Ein geöffnetes Billet lag neben ihr, dessen Inhalt sie bereits znm Gott weiß wie vielten Male gelesen hatte. Mit raschem Entschluß schrieb sie nun: „Sehr geehrter Herr Graf! Zwischen heute und gestern, als Sie in meinem Boudoir den Kaffee einnahmen, liegt nur ein Zeitraum von Stunden! Allein die kürzeste Frist - Momente—- entscheiden ja oft über das Glück oder' Wehe eines Menschenlebens! Ihrer Ver- sicherung bedarf es nicht, Graf Niko, daß einzig nur das mächtige, wett, bezwingende Gefühl: die Liebe — Sie dazu getrieben, jenes von mir geahnte Gestäudniß schriftlich abzulegen und um meine Hand zu bitten. Ich weiß, Sie sind ein edler, selbstloser Mann, ein Cavalier, ein Charakter. Durch dieses offene Bekenntniß stehen Sie noch höher in meinen. Augen als vorher. Ich weiß ferner von Barbara Otterstein, der stets lachenden, scheinbar glücklichen Frau, seit Jahren ein Geheimniß, das sie seit sieben Jahren tief im Herzen verbarg und welches ihr das Leben oft schwer und kaum erträglich erscheinen ließ. Möge dieses offene Gegengeständniß Ihnen das Herbe nehmen und die Enttäuschung über das, was ich auf Ihr Schreiben allein zu antworten im Stande
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