Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1898

32 Das ganze Dorf — na, es ist doch auch erklärlich bei einer Sache von solcher Wichtigkeit! — athmete erleichtert auf, als diese geistvolle Sentenz bekannt wurde. Dem Umzug der Heiligen aus dem Morgenlande stand also kein Hinderniß mehr im Wege. Er fand denn anch statt, nachdem man die Regerl vom Gemeindewirth, ein blutjunges, rothwangiges Ding, das aus Verschämtheit keinem jungen Burschen in die Augen blicken konnte, zum dritten der drei frommen Potentaten ansersehen hatte. Mit Rauschgold und farbigem Papier wurden die kostbarsten Kronen und Thron- Ornate hergestellt, und der Andredl ließ sich schließlich das Gesicht mit Kienruß und zu allem Ueberflnß noch mit Stiefelwichs einreiben, da sich seine zwei Gefährten durchaus weigerten, als „Muhrl" zu gehen. Ein Korb für die erhaltenen Geschenke gehörte mit zur königlichen Garderobe, und so schritten sie in ihrer Vermummung mit einem Buben, der ihnen an langer Stange den „Kometen" vorantrug, und gefolgt von vielen Kindern und Erwachsenen von Haus zu Haus, von Hof zu Hof, allüberall ihr Sprüchel singend: „Wir ziehen daher in schnellster Eil', In dreizehn Tagen vierhundert Weil'. Wir ziehen daher vor Herodes. sein Hans, Herodes schaut zum Fenster heraus: ,Jhr drei Herren, bleibet heut' bei mir, Ich will Euch geben Wein und Bier, Ich will Euch geben Stroh nnd Heu, Ich will Euch halten zehrenfreib" Dann brächte der „Muhrl" unter allerlei drolligen Geberdcn dem Angesungenen die volle Weinslasche dar, welche auch unter den Zuschauern die Runde machte und schließlich von den Bauern wieder vollgefüllt werden mußte. Die drei Weisen steckten die Flecken und Kuchen, die man ihnen schenkte, in ihre Körbe, und weiter ging es wieder, wobei sie im Abziehen ihren Dank aussprachen: „Ei, schönen Dank für all' die Gaben, Die wir von Euch bekommen haben; Wenn wir über's Jahr den Weg wieder geh'n, Woll'u wir Euch Alle in Freuden seh'u, Zum End', zum End' ein glücklich's neuch's Jahr, Ein besser's, als es das alte war!" Der Umzug dauerte lang. Aber das war ein Spaß! Als sie ins Geuieindewirthshaus zurück- kehrten, wo die Burschen und Dirndln schon harrten, um den Feiertag mit einem Tanz zu beschließen, da war es schon stich- dunkel draußen, aber in den Köpfen der drei Weisen aus den: Morgenlande nnd in denen ihrer Gefolgschaft gab's die herrlichste Illumination. Als sie unter den großen, von der Mitte der Stnbe herabhängenden Kerzen- leuchter traten, um ihren Spruch zum letztenmale zu singen und zu sagen, da entstand unter den Gästen auf einmal unbändiges Lachen, welches in Gegenwart so frommer nnd so hoher Herrschaften eigentlich sehr unziemlich ivar. Was gab's, das die Heiterkeit so entfachte? Der Andredl, der „Muhrl", merkte zuerst vou den Dreien die Ursach', doch war's schon zu spät. Die Regerl hatte einen gewaltigen schwarzen Schnurrbart; ihre Wangen waren mit Kienruß und Stiefelwichs geschminkt, und — o Mirakel! — das Gesicht des Mohrenkönigs war wieder an den gleichen Stellen abgefärbt. — — Die arme Waldhofbäuerin wurde auf der Stell' umgetauft und heißt seitdem „Urschula". — Ja, ja, die heutige Jugend! Aber der unerklärliche Vorfall kann noch unübersehbare Folgen nach sich ziehen — der Holzhauer-Wastl ist jajetztder einzige Heilige- Drci-König im ganzen Dorf! (0. T.-B.)

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2