Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1898

31 Der hatte noch von keiner Dirn' einen Schmatz bekommen — nicht einmal von der Müller-Liesel, einer fünsuuddrcißig- jährigen Jungfrau, die es schon längst gerne aufgegeben hätte, zimperlich und spröde zu thun. Denn erstens war er ein wenig knieweit, daß ihm ein Jagdhund zwischen den Beinen durchlaufen konnte, ohne daß er das Geringste davon merkte, und zweitens war er ein wenig bucklig, so daß ihn der neue Forstgehilfe ungehalten hatte, weil er meinte, er trage ein Stück Wild nnter'm Rock Heini. Drittens galt er auch als ein wenig „tcppert". Im klebrigen aber war der Holzhaucr- Wastl, wenn mau von seinem schiechen, von eine»! struppigen, ruppigen Bart ein- gerahmteu Gesicht absah, ein Bub so gut wie jeder Andere und trotz seiner vierzig Jahre Einer, den man wenigstens als Heiligen-Drei-König brauchen konnte. Daß er eine in Liebessachen makellose Vergangenheit hinter sich habe, das glaubte eben Jedermann, und auf Verlangen hätt' das auch der Bürgermeister mit Amtssiegel und Unterschrift officiell bestätigen können. Das gehört nun leider schon einmal zu den närrischen Schrullen der jungen Dirndln, daß sie für „Fasselreiter" (Säbelbeinige), denen unser Herrgott außerdem noch einen „Tornister" geschenkt hat, keine Vorlieb' haben. Unbegreifliche Leut', die Frauenzimmer ! Es war also nur gerecht und billig, daß man den Wastl einstimmig zumHeiligen- Drei-König ernannte, damit er eine Entschädigung für die von den Weibsleuten erlittene Zurücksetzung erhalte. Denn die Mitwirkung beim Umzug am Drei-Königs- Tag wurde dadurch gewissermaßen mit einem Tugendprcise ausgezeichnet, daß die drei Weisen von allen Bauersleuten, bei denen sie mit ihrem Singsang vorsprachen, mit Wein und Backwerk reichlich tractirt werden. Einen hätte man also gefunden gehabt, dessen Eignung für das mit so begehrens- werthen Einkünften verbundene Ehrenamt kein Dorsinsasse in Abrede stellte. Nach langem Berathen und Ueberlegcn einigte man sich auch wegen des Zweiten. Man wählte den Audredl von der Waldhofbäuerin, obwohl zwei sehr gravirende Verdachtsmomente gegen ihn Vorlagen: erstens war er erst vom Militär zurückgekommen und zweitens kein übler Bursche. Doch die Waldhofbäueriu hatte alle Bürgschaft übernommen; na, und die mußt' es doch wissen! Als mau „competenteu Ortes" meinte, es sei denn doch etwas schwer glaublich, daß der Audredl noch keine „Gspusi" gehabt, da zeigte sie sich mehr ungehalten, als wegen eines derartigen Verdachtes unbedingt nothwendig gewesen wäre. „Da kinut's mi Urschula haßen," hatte sie erregt ausgerufen, „wann der scho aner Dirn' a Bnsscl geb'n hat! Der Audredl — —■ der hat ja an' Abscheuch vor an' jeden Weibsleut!" Und da man hinwiederum wußte, daß sie selber einen „Abscheuch" vor dem Namen Ursula hege, so ließ man ihre Garantie hingehen. Der Caspar war also da, der Melchior war da, jetzt handelte sich's nur mehr noch um den Balthasar. Ein Balthasar konnte aber, selbst bei der größten Nachsicht, in dem ganzen Dorfe nicht aufgetrieben werden. Es gab nur zweierlei: entweder bloß zwei Heilige-Drei-Könige herumziehen lassen, oder sich den Fehlenden aus einem Nachbarorte ausleihen. Gegen das Erste erhob der Schullehrer, als gegen eine lästerliche Bibelfälschung, Einsprache, und das letztere Auskunftsmittel wär' eine zu große Schande geivesen. Ein Glück, daß in unserem hochcivili- sirteu Lande ein jedes Gemeinwesen einen Mann an der Spitze hat, der in so verwickelten Fällen von amtswegen eine salomonische Weisheit entwickeln muß — deu Bürgermeister. Dieser gab nach dreitägigen! Berathschlagen mit den Dorfältesten seine Meinung kund, dahingehend, wenn man für den Balthasar keinen geeigneten Burschen ausfindig machen könne, so möge man einfach ein Dirndl nehmen.

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