Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1898

30 tete, bleich wie der starre Körper auf dem Leichentuch: „Ich bin nicht Frau Lavalle, mein Name ist Durallois. Sie irren sich, mein Herr. Wer sind Sie? Ich kenne Sie nicht?" „O, Sie kennen mich nur zu gut, Frau Lavalle; oder Frau Durallois, oder wie Sie sich sonst noch nennen?" „Sie sehen, mit Ihrem Betrüge ist es zu Ende," ergriff der Polizeicom- missär das Wort. Machen Sie sich bereit, mir nach^ der nächsten Polizeiwache zu folgen." Im nächsten Momente lag die Frau vor uns auf den Knien, bat und flehte und machte Versprechungen. Als sie aber sah, daß alles das nichts half, warf sie die Maske ab. Sie über- häufte uns, besonders aber mich, mit den niedrigsten Schmähungen in den gemeinsten Ausdrücken. Gegen die eintretenden Polizisten wehrte sie sich, wie eine Tigerin, so daß man Gewalt gegen sie anwenden mußte. Lavalle oder Durallois wurde in ein Krankenhaus überführt. Er lag noch 36 Stunden in kataleptischem Schlaf, der dem Tode so ähnlich war, daß jeder Arzt unbedenklich den Todtenschein ausgefertigt haben würde. Bei seinem Erwachen war er nicht wenig erstaunt und unangenehm überrascht, als er sich in einem öffentlichen Krankenhause und an der Seite eines Polizeibeamten sah. Das betrügerische Paar kam vor das Schwurgericht und im Laufe des Processes wurde festgestellt, daß der Kata- leptiker fünfmal verstorben, und daß viermal eine große Summe bei ver- schiedenenVersicherungs-Gesellschaften für ihn erhoben worden war. Er wurde zu fünfzehn, seine Frau zu zehn Jahren Zuchthaus verurtheilt. C. 's war keine kleine Müh', die passenden Darsteller für die heiligen drei Könige zu finden. Ja, wenn für den üblichen Umzug der „Weisen aus dem Morgenlande" die drei Gescheitesten gerade gut genug gewesen wären, da hätt's weiter keine Verlegenheit gegeben im Dorf! Gescheit, unbändig gescheit waren sie ja Alle, vom Bürgermeister angefangen. Wer's vielleicht nicht glauben mag, dem nenn' ich denNamen von dem Ort, und der soll dann einmal an einem Sonntag ins Gemeindewirthshaus geh'n und dort den Männern znhören. Weiß ein Jeder bis aufs J-Tüpferl genau, wo die Landwirthschaft und Viehzucht der Schuh drückt, und manches Andere noch, worüber sich die Stadtleut' vergebens die Köpf' zerbrechen ! Da also lag nicht die Schwierigkeit. Die Sach' ist die: Die heiligen dreiKönige — w will's einmal der alte Brauch —- dürfen nun einmal nur solche „Buben" sein, die noch roth werden, wenn s' mit einem saubern Dirndl reden, ja sogar vor einem schiechcn, so was man auf dem Land sagt „Junggesellen", die noch Keine um den Hals genommen und tüchtig abgebusselt haben. Au solchen herrschte ein fühlbarer Mangel im Dorf, denn was das Um-den- hals-nehmen und Küssen anbelangte, so hatten die jungen Bauern und Knechte alle ein schlechtes Gewissen oder doch wenigstens einen schlechten Leumund, was freilich nicht unter allen Umständen ganz dasselbe ist. Alle? Nein, das wär' zu viel gesagt, das hieße einer ganzen ansehnlichen Ortschaft Unbill zufügen. Wer wußte zum Beispiel dem Holz- Hauer-Wastl etwas Schlimmes nachzu- sagen — in dem angedcuteten Sinne näm- lich? Ein Wilderer war er vermuthlich, ; doch ein Weiberjäger gewiß nicht.

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