Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1898

29 Jetzt trat der Polizeibeamte vor, nannte seinen Namen und Stand und erklärte, daß der Todtenschein nicht aus- gehändigt werden dürfe, bevor nicht die Todesursache durch eine Obduction der Leiche festgestellt sei. „O, wie grausam ist man hier zu Lande!" rief die Frau in schmerzlich „Ich werde sofort veranlassen, daß die Leiche binnen einer Stunde von dem Bezirksarzt in Ihrem Beisein, Herr Dr. Bremer, secirt wird. Bis zur Beendigung derObduction bleibe ich zugegen." „Gegen diesen Gewaltact protestire ich," rief jetzt die Frau energisch. „Ich bin eine Ausländerin und unterwerfe klagendem Tone aus. „Ist es hier Brauch, den Frieden eines Sterbehauses, die Ruhe eines Todten so brutal zu stören. Herr Pfarrer, ich rufe Ihr Zeugniß und Ihren Schutz an. Und Sie, Herr Doctor, wollen Sie es dulden, daß Ihre Wissenschaft und Ihre Gewissenhaftigkeit angezweifelt werden?" Mit abweisender Geberde schnitt der Polizeicommissär ihr das Wort ab. mich nicht Ihren Maßnahmen, Herr Polizeicommissär. Ich werde mich sofort an mein Consulat wenden!" „Das wird nicht nöthig sein, Frau Lavalle," sprach ich, indem ich nun der Frau gegenübertrat. Sie erkannte mich auf der Stelle, ich fah es wohl, aber selbst bei dieser Ueber- raschung verlor sie den Kopf nicht. Sie unterdrückte einen Schrei und antwor-

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