Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1897

30 31 des Stückes, da die treulos Verlassene dem Verführer die Wahrheit in's Gesicht sagte, spielte die Künstlerin meisterhaft. In jedem Worte zitterte das verrathene Weib, in jeder Silbe die Unglückliche, die zu späterkennt. Und dann macht sie ihrem Geliebten klar, daß ein Weib vor dem Manne das voraus hat, daß es nicht vergessen kann; Hiebei wandle sich der Blick der Künstlerin von ihrem Partner ab und flog hinauf in die Loge des Dichters, der keine Miene der Schauspielerin verlor. Jetzt, da ihn ihr Blick voll traf, zuckte er. zusammen; es war ihm, als hätte er den Glanz dieses herrlichen Auges, den Blitz aus diesen Wimpern schon einmal gesehen und aus sich ruhen gefühlt. Aber er konnte keinen Zusammenhang finden, sein Stück ließ ihm nicht Zeit, weiter nachzudenken. Die Ereignisse auf der Bühne jagten einander. Der Ungetreue verläßt mit dem Brandmal auf der Stirn die Geliebte, um schwurvergessen einer Anderen zu folgen, während die Heldin den ganzen Jammer ihrer Liebe enthüllt; es war eine gewagte Szene und nur eine äußerst geschickte Künstlerin konnte sie ausführen, sie mußte discret über Vieles Hinweggleiten, was in richtiger Beleuchtung dem Publikum mißfallen hätte und dennoch zum Conglomerate nöthig war. Fräulein Walther verstand es, dem Publikum die richtige Form zu bieten, sie siegte, wie sie wollte, und wurde wiederholt unterbrochen, um die donnernden Applaussalven zu quittiren, ' aber sie spielte wie eine echte Künstlerin, nur um dem Werth der Rolle gerecht zu werden und nicht um Effekt zu erzielen. Nach Schluß ihres Mono- I loges, der vom Jubel des Publikums : begleitet wurde, durfte keine Pause ein- 1 treten, die dem Publikum Zeit zum ' Jubel lassen sollte, sofort mußte die 1 neue Szene beginnen, und so neigte i denn das Stück seinem Ende. Die ' Heldin verschmäht es, nach der Waffe ' zu greifen, sie ist das Leben ihrem ' Kinde schuldig, und darum reicht sie 1 - ihre Hand einem braven Arbeiter, dem sie Alles enthüllt; er trifft sie sinnend beim Tische sitzend und das Lieblingsgedicht des Treulosen mechanisch lispelnd. Gottfried Manger hatte allen Künstlerinnen es freigestellt, ein beliebiges, wehmüthiges, kurzes Gedichtchen zu wählen; als die Künstlerin dazu kam, sagte sie mit leiser Stimme das Gedicht vor sich hin, das ihr Gottfried einmal gesandt hatte. Als sie damit fertig war, sah sie auf die Loge; Gottfried Manger war überrascht aufgesprungen, er hatte das Gedicht erkannt. Die nächste Sekunde belehrte ihn, wer jene Künstlerin sei, und nun fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Er stand wie geistesabwesend da, er hörte es nicht, daß das Publikum nach Fallen des Vorhanges nach ihm tosend verlangte, er hatte sein Stück und Alles um sich her vergessen, er stand im Banne dieser Augen, die ihm einst schon gestrahlt. Der Direktor eilte auf ihn zu. „Herr Manger, Herr Manger, so hören Sie doch. Das Publikum beruhigt sich nicht eher, bis Sie gedankt haben." Er nahm den Widerstrebenden unter den Arm und schob ihn vor die Rampe, er verneigte sich mechanisch, er dankte wiederholt, der Applaus schien kein Ende zu nehmen, bis er endlich erschöpft auf der Bühne in einen Fauteuil sank. Dann kamen sie Einer nach dem Anderen, seine Freunde und Collegen, man wollte ihm vorgestellt werden, wenigstens sagen können, mit ihm gesprochen zu haben. Die Künstler luden ihn zu einem Souper ein, es war ihm zu Ehren veranstaltet, aber er schlug es aus, er schützte unsägliche Müdigkeit vor, er wolle am nächsten Tage Alles nachholen. Der Direktor geleitete ihn, Manger fragte, ob er Fräulein Walther sprechen könne, dieser aber theilte ihm mit, die Künstlerin sei, wie gewöhnlich, sofort mit ihrer Mutter nach Hanse gefahren. Gottfried empfahl sich vom Direktor und dankte ihm nochmals für seine nun gekrönten Mühen. Unten angekommen, erkundigte er sich beim Portier nach der Wohnung des Fräulein Walther. Er sagte sie ihm, und Gottfried Manger fuhr sofort hin, er überwand alle Scheu, ein Besuch um 11 Uhr Nachts müsse unter diesen Umständen verziehen werden. Zagenden Schrittes betrat Gottfried Manger die Wohnung der Künstlerin. Er wußte ja nicht, welchen Empfang er gewärtigen würde; ein Stubenmädchen öffnete, ihm höchlichst erstaunt, das Fräulein sei gerade beim Nachtmahl, zu einer solchen Slunde werde aber Niemand empfangen! Gottfried sandte seine Karte hinein, aber er wartete die Antwort nicht ab, er schritt ihr nach und eilte iu's Zimmer; da saß sie, die sein Jugendideal gewesen, das er nicht aus dem Herzen zu reißen vermochte, er eilte auf sie zu und Lina, die Künstlerin ohne Herz, stand erst sprachlos, dann flog sie ihm entgegen, ein stummer Blick, und sie lagen sich in den Armen und küßten sich lange, lange! Die Mritler der Künstlerin ivar nicht wenig erstaunt; sie verstand es aber nicht, wie eine Sekunde im Stande war, das zu bringen, was Beide Jahre hindurch ersehnt hatten.. Gottfried er- 'uannte sich zuerst: „Kannst Du mir, Geliebte, meine häßlichen Worte, die ich einst zu Dir sprach, verzeihen? Ich kannte ja damals die Welt zu wenig, ich sprach das nach, was mir erzählt wurde, ich hielt es nicht für möglich, daß em edler Charakter immer siegreich AtLerrLei. Kie schalkhafte Kellnerin. Gast: „Nun, Bertha, wann haben Sie das Licht der Welt erblickt?" Kellnerin: „Acht Stunden nach meiner Geburt." Gast: „Wieso?" Kellueriu: „Ich bin um elf Uhr Abends geboren und die Sonne ging erst um sieben Uhr Früh auf." bleibt. Ich habe das Weib in Dir beleidigt! Verzeihst Du?" Statt aller Antwort küßte die Künstlerin den Glücklichen nochmals. „Es ist Alles vergessen, auch liegt die Schuld an mir, Gottfried, aber es ist gilt, daß es so war. Wir Beide waren vom Anfang an für einander geschaffen, wir verstanden uns nicht, da wir gering waren und erst da wir uns auf der Höhe trafen, wurden wir uns unseres wahren Werthes bewußt. Es sind acht Jahre her, Gottfried, auf den Tag acht Jahre, da ich zum ersten Mal in Deinem ersten Stücke auftrat. Unsere Seelen sind gleich geblieben; damals Gottfried, trugst Du mir Deine Hand an und erbatest mir meine zum Geschenke. Ich schlug sie aus, heute Gottfried, biete ich Dir Gelegenheit zur Revanche, willst Du mich heute noch nehmen-zum Geschenk von St. Nikolaus, als Dein treues Weib, oder aber------- ?" Gottfried verschloß ihr den Mund mit glühenden Küssen und schwur, fortan den Heiligen als seinen Schutzpatron zu verehren! Am nächsten Tage brachten die Zeitungen eingehende Artikel über das Stück Gottfried Manger's, sein Genie und über die Hauptdarstellerin Lina Walther, die Zierde des Hoftheaters. Was die Zeitnngen aber nicht wußten, das war, daß der „Nikolo" den Beiden diesmal ein Geschenk gebracht hatte, das ihnen mehr werth war, als all' das Geschreibsel und alle Stücke der Welt. Kiese Aremdwörter! Frau Huber: „Aber, ich bitt' Herr Doctor, die Dichtungen von unserem Christian nehmen doch schon einen bedeutenden Platz in der Literatur ein!" Professor: „Maculatur wollen Sie wohl sagen, beste Frau Huber?!" Frau Huber: „Ah, ich bitt' um Entschuldigmkg — das meinte ich ja; — diese dummen Fremdwörter!"

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