Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1897

12 13 Auch die Jagd pflegte er eifrig. Zuiual gegen das Naubgethier, das in letzter Zeit, wo kein Herr auf Schönburg gesessen, bedenklich zugenommen. Fuchs und Marder waren ungehindert in die Hühnerställe allnächtlich eingeschlichen. Dagegen hatte Engelbrecht gleich am Anfang mit Erfolg den Feldzug.eröffnet; jetzt dehnte er ihn weiter hin aus. Am Wasser hausten Biber und Otter und lauerten gemeinsam den Fischen auf; im Wald trabten Luchs und Bär; in die Schafheerden brach nicht selten der Wolf, und wenn der letztere auch nicht mehr in Rudeln, sondern nur mehr vereinzelt vorkam, und wenn der feige Gesell sich auch nicht an einen größeren Reitertrupp wagte, dem einzelnen Wanderer ward er um so beschwerlicher. Darum hatte Engelbrecht hohe Preise gesetzt auf Einbringung seines Felles und er erreichte damit seinen Zweck. Merklich hatte sich das Raubgelichter verloren, nur ein ganz besonders großer, alter Wolf, der schon lange der Schrecken der ganzen Gegend gewesen, hatte sich bisher allen gegen ihn gerichteten Treiben zu entziehen gewußt. Der Sommer ging schon zu Ende. Ueber die gelben Stoppeln wob die Herbstspinne ihre silbernen Fäden, als Engelbrecht eben von einem entfernten Rebgarten heimwärts reiten wollte. Der Abend dämmerte, Nebel zogen die Landstraße vom Saalegrund herauf. Da, plötzlich klang ein Schrei durch die Stille. Es war wie der Nothruf eines Menschen, und Engelbrecht spornte sein Roß dem Klang nach, der ans ziemlicher Nähe vor ihm zu kommen schien. Eine Biegung des Weges ließ ihn denn auch bald genug die Sachlage übersehen. Ein Mann im buntgestreiften Gewand eines fahrenden Spielmannes rang verzweifelnd gegen einen Wolf. In Er- manglung einer richtigen Waffe wehrte er sich mit der Fiedel; es war aber vorauszusehen, daß bei so ungleichem Kampfe der Mann bald den Kürzeren ziehen werde. Engelbrecht setzte seinem Pferde die Sporen ein. „Hussah, mein Rapp', es gilt!" Wie eine Feder flog das edle Thier dahin. Aber beim nahen Anblick der Bestie sträubte es sich und wollte nimmer vorwärts. Engelbrecht hatte das Waid- messer aus dem Gurt ergriffen. „Wirst mich wohl nicht zu Schanden machen? Wirst doch Deinem Herrn wohl folgen in die Noth?" Es war, als ob das Roß ihn verstanden hätte. Wohl schnaubte es noch, aber es ging nach seiner Führung. Der Wolf stutzte, da er sich von seitwärts einem Angreifer gegenüber sah, und ließ von seiner Beute. Sowie er sich aber gegen Engelbrecht wenden wollte, stieß dieser ihm den Hirschfänger in die Kehle, daß das Naubthier, sich selber überschlagend, zusammenbrach, während das hoch aufspritzende Blut Roß und Reiter überrann. „Das war ein guter Stich, Herr, und zur rechten Zeit auch seid Ihr gekommen; sonst wüßt' ich Euch keinen Dank mehr zu sagen!" sprach der Fiedelmann, dem Vogt treuherzig die Hand aufs Pferd hiuaufreichend. Engelbrecht sprang ab. „Helfet mir das Thier auf's Roß heben und dann kominet mit mir auf die Schönburg; ich will Euch Abendmahl und Nachtrast geben, denn es wird dunkel und ich meine, Ihr könnet für heute an dem Weiterfahren genug haben." Der Spielmann gehorchte seiner Aufforderung. „Oftmals habe ich dem Tod ins Aug' gesehen, ohne mich eine Schnippe drum zu kümmern, denn Feigheit ist meine geringste Untugend, aber' da niich der dampfende Rachen des Unthieres angähnte, kam mir ein Grauen vor solch' häßlichem Ende; und daß Ihr mich davor bewahrt'habt, das möcht' ich Euch danken können. Ich aber muß mich wohl immer iu Eurer Schuld fühlen." Engelbrecht schüttelte den Kopf: „Glaubet das nicht, vielmehr ich in Eurer. Lange haben wir dem. Unhold aufgelauert, aber immer wußte er zu entwischen. So ein Thier hat Menschenverstand und kennt, die ihm nachstellen. Hättet Ihr ihn nicht angelockt, ich hätt' ihn wohl nimmer zu fassen gekriegt Aber jetzt kommt; der Schreck wird Euch wohl kaum das Abendmahl ersetzt haben." Auf Schönburg ward ein großes Ge- renn und Geschrei ob des erlegten Wolfes Auch die junge Gebieterin kam herbei. Sie erschrak, da sie des Vogtes Hände und Gewand von Blut starren sah. Er aber lachte vergnügt: „Wolfsblnt, Herrin! ich will mich waschen gehen!" Nach dem Essen rief Clarissa den Fahrenden zu sich: . ,,Sing' nur was, Gesell, etwas, das für die Stunde paßt. Der Spielmann besann sich nicht lange. Er nahm die Laute vom Rücken und griff in die Satten: „Ihr kennt die Mär' vom Rosenhaq, Vom Komgsschloß, drin manchen Tag Die Augen tief vom Schlaf umsäumt, Dornröschen hundert Jahr veriräumr. Und daß sie schlief, bis wo zur Frist Der Komgssohn sie wach geküßt. kennt die Mär' — und denkt doch kaum, Daß Euer Herz auch liegt im Traum; Und daß es träumt, bis zu" dem ®fl ®“$ die Minne wecken mag. O Rosenpracht, o Jugendzeit! O keusche Minnehcrrlichkeit!" Ekanssa llefiel der Sang: „Hättet ^ h^-ÄS9“”3 ^i mir zu bleiben? Ä'7^5 Euch ln Sold nehmen, und es sollt' kein harter Dienst werden." Aber der Fiedler wollte nichts da- wissen. „Ich erkenn' Eure gute Meinung und ich sag' Euch herzlichen Dank dafür. Aber ich kann nicht; und warum ich nicht kann, das will ich Euch un Lied sagen, dann werdet Ihr mich verstehen: „Sie zogen die Kappe mir übers Haupt Als wie dem Falken im Stalle; Sre haben mich zu fangen geglaubt, Als wie den Dachs in der Falle. Sie haben mir den Nacken ins Joch Gebeugt, in arger Bedrückung: ^ch aber hab' mich gewaltsam doch Gerettet aus der Verstrickung. Nuu bin ich frei, wie 'in sonniger Frist Die Lerche zum Himmel sich hebet; Nun bin ich frei, wie der Adler ist, Der über die Berge schwebet. Wem also ist der Sinn gestellt, Dem muß all' aud'res erschweigen — Du fröhliche, grünende, lachende Welt: Nun bist Du doch wieder mein eigen!" Clarissa nickte ihm freundlich zu, da er geendet: „Ja, der muß freilich all anderes erschweigen, aber kennt Ihr nicht einen Anderen, der, des Sanges kundig, zu uns kommen möchte?" Der Spielmann zuckte die Achseln. Unterdeß hatte Engelbrecht nach dem Instrument gegriffen und darauf zu prä- ludiren begonnen. „Hätt' ich eine Laute, ich wollte Euch gerne zuweilen mit einem Liedlein aufwarten; denn in der Schule haben wir Versschmicden und Melodien erfinden gelernt, und wenn ich mich auch nicht vermessen will, den feinen Ton Herrn Frauenlob's zu treffen, so mag's doch vielleicht mangels eines besseren hingehen." Darob schlug Clarissa fröhlich die Hände zusammen: „Das könnet Ihr auch? Warum habet Ihr es nicht längst gesagt?" Der Fiedelmann aber griff vergnügt nach seinem Felleisen: „Wenn weiter nichts fehlt, als der Klinlperkasten, so kann ich abhelfen. Ich hab' eine überflüssige Laute da drinnen; denn ich bin sonst mit noch einem Gesellen gezogen. Aber der Andere ist mit einem Mal zu Kreuz gekrochen. War ein ausgesprungener Klosterschüler und das Kloster hat ihn auch wieder eingefangt; da ist er wieder in die Kutte gefahren. Die Guitarre aber hat er mir hinterlassen. Lange hab' ich mich geärgert, daß sie mich beim Wandern beschwert; nun hab' ich doch meine Freude dran, weil ich Euch damit meinen Dank, wenn auch noch so schwach, zu bezeigen vermag."-------------------------- So war die Schönburg mit einer Laute beglückt worden, weil ein Wolf einen Spielmann angefallen. So entwickelt sich eines aus dem andern, geht

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