Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1897

G sind wir her gekommen. Wie ich nun aber Euch auf dem Wege traf und Ihr mir den richtigen Weg wieset, da wußte ich gleich, daß Ihr der Rechte wäret zu solchem Geschäft. Freilich, der Mönchskutte müsset Ihr entsagen, aber wer weiß, ob's Euch gar so schwer würde," fügte sie schelmisch hinzu. „Und gut solltet Jhr's haben bei mir auf der Schönburg, so gut! Viele aber fröhliche Arbeit! Mit den Hühnern auf, hinaus aus's Feld, in den Rebgarten oder Forst; auf die Reiherbeize oder zu lustigem Fischfang in der Saale; zwischen hinein auf die Schreibstube oder als Abgesandter zu den Edlen auf den Nachbarburgen; bei der Mahlzeit am Herrentisch bei mir — aber allezeit bereit, meine Rechte zu vertheidigen mit Wort und That! Was saget Ihr dazu?" Sie hatte sich warm gesprochen. Aus der weißen Umhüllung des Schleiergewebes, das ihr Haupt umgab, sah das feine Gesichtlein rührend und bittend zugleich, wie ein Heiligenbild auf lichtem Wolkenhiutergrund. Engelbrecht wußte nicht recht, wie ihm geschehen. Glück, Freiheit, eine geachtete Lebensstellung, immer ersehntes, unerfülltes Hoffen und das alles durch sie — durch sie. Ueberwältigend drang's auf ihn ein. Wie ein Trunkener warf er sich zu ihre» Füßen und vergrub sein Gesicht in die Falten ihres lang hinab wallenden Aermels. Sie aber fuhr sanft mit den zarten Fingern über sein Haar: „Nun, wollet Ihr?" Da sprang er empor: „Ob ich will? Herrin, Ihr wisset nicht, was Ihr mir bietet." Und dann trat auch der scharfeZug um seinen Mund wieder hervor. „Aber der Präpositus wird mich nicht ziehen lassen. Es wär' auch zu schön für mich." „Die Sorge möget Ihr wohl fahren lassen, ich will's schon durchsetzen. Aber nun kommet mit mir zum Vater, daß ich ihm Euch weisen kann." Dem Landgrafen gefiel der hochgewachsene Geselle mit dem entschiedenen Zug um die Mundwinkel. „Und willst Du mir geloben, für Deine Herrin und alles, was ihr eigen, Dein Blut im Falle der Noth zu geben?" frug er, nachdem er ihm alle Pflichten und Anforderungen seiner künftigen Stellung auseinander gesetzt. Engelbrecht hob die Rechte wie zum Schwur: „Meinen Leib und meine Seele will ich geben für sie, so wahr mir der Herr helfe!" Der Landgraf erhob sich: „Es ist gut so. So will ich Euch beim Präpositus ausbitten. Könnt Ihr noch heute mit uns reiten?" Engelbrecht verneigte sich bejahend. Dann winkte ihm der Fürst Entlassung. Nach der Tafel — die Speisen waren vorzüglich und zumal die Weine auserlesen gewesen und der Präpositus befand sich darum in gehobener Stimmung — ließ er Engelbrecht zu sich bescheiden: „Es ist ein Schicksal an Dich herangetreten ; ein großes Glück, oder ein großes Leid, je nachdem Du's betrachtest. Der Landgraf hat Dich als Kämmerling nach Schönburg ausgebeten, und ich bin weder gewillt, Dich dafür, noch dawider zu beeinflussen. Zweierlei nur will ich Dir vor Augen halten: Folgst Du dem Rufe, so mußt Du der Würde des Priesters entsagen; der Welt, die Du nicht kennst, dem Herren- und Hofdienst mußt Du Dein Leben weih'n und manche Täuschung, manche bittere Erfahrung wird Dir blühen. Andererseits aber wirst Du dem Stift einen größeren Gefallen erweisen, wenn Dn den Landgrafen uns verpflichtest, als wenn Du in unserem Chor die Psalmen betest. Die Entscheidung aber steht bei Dir. Ich sage es Dir ausdrücklich und jede uachherige Verantwortung meinerseits lehne ich ab." Engelbrecht richtete sich empor. „Ich habe mich dem Landgrafen verpflichtet, vorbehaltlich Eurer Genehmigung, und ich will mein Wort halten bis zum letzten Athemzug." „Dann mag ich Dir getrost meinen Segen geben: Zieh' aus im Herrn, seine Gnade geleite Dich!" Des Vormittags ritt Engelbrecht hinaus zu den Knechten aufs Feld, die Arbeit zu überwachen. Das Mittagsmahl fand ihn daheim. Clarissa hatte ihm seinen Platz ihr gegenüber am Herrentisch angewiesen. Es war ihr zu langweilig, allein auf, erhabener Bühne zn speisen, dieweil die Dienstleute und Hörigen an langer Tafel im unteren Theil der Tyrnitz*) saßen. Freilich versäumte Engelbrecht nie, das Salzfaß**) als Zeichen der Hochachtung zwischen die Gebieterin und sich zu stellen, aber sie schob es immer mit anmuthiger Ge- berde zur Seite, also, daß er seine Dienstbarkeit nicht zu hart fühlen mochte. Der Nachmittag war wieder den Geschäften gewidmet, und es gab allzeit zu schlichten, Recht zu sprechen oder zn verbessern. Beim Abendbrot aber saß er wieder am Herrentisch und über kurzweiliger Rede und Gegenrede kam über eins die Nacht, die sie Alle zu erquickendem Schlummer aufs Lager scheuchte. Und Engelbrecht hatte sich seit der ersten Stunde auf der Schönburg heimisch gefühlt, und wenn er auch stets mit gleichmüthiger Miene, gemessen und ernst einherschritt, wie es dem Kämmerer und Vogt einer so ausgedehnten Hofhaltung zukam, so war doch ein selten Glücksgefühl in ihm, wie er solches bislang noch nicht gekannt hatte. Doch nur zu bald sollte er aus solcher Ruhe aufgestört werden. Eines Nachmittags, es war im Hochsommer, war er zu Weißenfels eines Grundkaufabschlusses wegen gewesen. Auf dem Heimweg sah er vom Süden her ein Gewitter aufsteigen. Schwarz und finster zog die Wolkenwand herauf auf eiligem Fittig des Sturmes. Engelbrecht hätte in einer *) Tyrnitz bezeichnet jenen Saal, in dem die gemeinschaftlichen Mahlzeiten, auch wohl Trinkgelage, in den Ritterburgen abgehalten werden. **) Das Salzfaß zwischen sich und eine andere Person zu stellen, war immer ein Zeichen der Achtung, denn es vergrößerte , den Raum, I den mau der betreffenden Person einräumte. So war es gekommen, daß am Abend jenes Tages, da Engelbrecht der gefangenen Drossel die Freiheit geschenkt, er nun selber in die freie, offene Welt Hineinritt. Ju Naumburg hielten sie an und nahmen nächst dem Dom in der uralten Weinschänke den Vespertrunk. Und als die Dunkelheit anbrach, ritten sie eben den Schlvßberg zn. Schönburg empor. Es war ein großes und weiläufiges Gebäude mit hohem, runden Thurm am sogenannten Herrenhause, dem gegenüber die Dienerwohnungen, der Burgstall und die Scheuern. Dazwischen ein geräumiger Hof, auf den von Gebäuden freien Seiten mit Manern begrenzt, davon steinerne Söller anstraten, die, über ziemlicher Tiefe schwebend, einen prächtigen Ausblick über die Gegend gewährten. Außen zog sich ein Burggarten um das Ganze, der besonders unter der thurmüberragten Herrenwohnung sich in ziemlicher Breite ausdehnte. Landgraf Ludwig deutete zum Thurm empor, da sie aus den Sätteln gestiegen waren: „Da oben möget Ihr künftig Eure Heimstätte aufschlagen, Engelbrecht; denn der Vogt muß weite Ausschau halten können und treue Wacht. Morgen Früh werd' ich Ench in Euer Amt einweihen. Zum Mittag will ich wieder nach der Wartburg aufbrechen, und dann ist's an Euch, das Vertrauen zu rechtfertigen, das ich in Euch gesetzt!" — ■-------------------- ---- -------Nun war Engelbrecht schon geraume Zeit auf Schön- burg. Des Morgens, bevor er an seine vielseitigen Geschäfte ging, trat er bei seiner jungen Herrin zum Vortrag all' dessen an, was einer Genehmigung oder Entscheidung ihrerseits bedurfte. Das war die Stunde, der er alltäglich mit Freude entgegensah. Dann saß sie in ihrem Wohngelaß, auf der Bank in der Fensternische und er hielt vor ihr stehend seinen Bericht. Dann rathschlagten sie zusammen, und es geschah selten, daß sie getheilter Meinung waren.

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