wildfremden Menschenkind hatte sich in ihr Herz geschlichen. Sie hatte nicht gewußt, wie es gekommen. So traten sie den Weg miteinander an. Lang war er nicht, auch nicht beschwerlich, aber schmal wand sich der Pfad dicht am Felsen hin, so daß nur zwei knapp nebeneinander zu schreiten vermochten. Darum mußte der Stallmeister zurückbleiben. Bärbeißig schritt er hinterdrein. Lauge bevor sie unten angekommen, wußte sie alles von Engelbrecht, auch sein tiefgeheimstes Freiheitssehnen. Sie aber hatte sich ihm als des Landgrafen Ludwig v. Thüringen Tochter enthüllt, die auf dem Wege von Schön- burg nach Schulpfordta von ihrem Vater und seinem Gefolge muthwillig in den Wald Blumen pflücken gegangen war und sich verirrt hatte. Drunten vor der Klosterpforte trafen sie eben mit dem Landgrafen und seiner berittenen Begleitung zusainmen. Der Präpositus war selber zum Empfang heruntergekommen. Ihm hatten sich die Würdenträger des Stiftes und die hervorragendsten Lehrer der Schüler angeschlossen. Ueberhaupt war die ganze fromme Niederlassung in Bewegung und Erregung gekommen. Die Schule war für heute zu Ehren des hohen Gastes geschlossen worden. In der Küche han- tirte der Koch, wie ein Feldherr im Lager. Engelbrecht schritt hinaus in den Baumanger. Das Herz war ihm so voll. Das Leben wollte ihm schön und reich dünken mit einem Male. War es ihm nicht so vorgeschwebt, wenn er mit sehnenden Gedanken in die Weite schweifte? Unterdeß hatte der Landgraf sich in die eilig zugerüsteten Gastgemächer be- geben, den Staub der Heerstraße abzu- schütteln und nach der Ermüdung der kurzen Reise eine kleine Rast zu halten, bevor die neuen Strapazen eines reichlichen Klostermahles an ihn herantraten. Aber kaum, daß der Fürst sich allein sah, trat sein Töchterlein Clarissa bei ihm ein. „Vater," sprach sie, sich an- mnthig neigend, „verzeihet, wenn- ich Euch die Ruhe störe, aber Ihr wisset, wenn ich etwas auf dem Herzen habe, muß es herunter, und so komm ich denn auch gleich, Euch mitzutheilen, daß der Zweck unseres Hieherkommens wohl schon erfüllt ist, es eigentlich schon war, bevor wir diese Schwelle betreten hatten." Der Landgraf strich sich nachdenklich den Bart. „Wieso?" Da trat Clarissa dicht zu ihm: „Seh't, Väterchen, das ist so zugegangen. Den Blumen und Faltern nachlaufend, habe ich mich im Walde verirrt, der Stallmeister ist auch schon brummig geworden, da kamen wir auf einen schmalen Pfad, der führte eng am Felsen hin bis zu einer kleinen Höhle, und da drinnen saß Einer im langen Scholarengewand, der wies mir den Weg. Und seh't, Väterchen, da dacht'^ich niir, das ist der Finger Gottes; wie er mich jetzt nach Schulpfordta geleitet, so wird er mich auch künftig schützen und bewahren, wenn's Noth thut. Und dann, wie ich mit ihm sprach, da schien er mir so recht geeignet zu dem Geschäft, zn dem wir einen sicheren, verlässigen Mann suchen; denn er scheint treu und klug, uud ich meine, wir thun ihm einen großen Gefallen, wenn wir ihn aus den Fesseln lösen, die die Stiftsherren ihm anlegen wollen." Und sie erzählte ausführlich Engelbrecht's Geschichte, wie er selber sie ihr vorher mitgetheilt. Der Landgraf lächelte ob ihrem Eifer: „Es ist gut, ich will den Mann sehen. Wie nennt er sich?" Ueberrascht sah sie empor: „Das weiß ich nicht, ich hab' nicht daran gedacht, ihn darum zu fragen!" „Aber dann kann ich ihn nicht rufen lassen und also auch nicht prüfen." Da sprang sie behend nach der Thür: „So werd' ich ihn selber suchen und ich werd' ihn finden, verlaß Dich drauf." Im Baumanger draußen schritt Engelbrecht noch anf und ab, in Ge- . danken verloren. Da schimmerte etwas Weißes den Lindengang herauf, das fürstliche Rauchwerk fiel ihm von weitem schon ins Auge und da stand sie nun selber vor ihm, an der all' seine Gedanken hasteten, seit er sie zuerst geschaut: „Gott sei Dank, daß ich Euch endlich gefunden," rief sie ihm freundlich entgegen. Er sah sie starr an: „Ihr suchet mich? mich?" „Freilich," erwiderte sie geschäftig. „Kommt nur allsogleich mit zu meinem erlauchten Vater. Ich hab' ihm von Euch erzählt. Ihr urlißt nämlich wissen, ich hab' die Schönöurg geerbt von meiner Pathe, und ich will dort hinziehen, sie selber zn bewirthen. Aber ich bin jung und unerfahren, ich brauche einen tüchtigen Burgvogt und Hofkämmerer. Und weil der Vater kein Zutrauen hat zu den Edelleuten, die ihm schlimm genug mitgespielt haben lebenslang, so hat er beschlossen, mich der Obhut eines Mannes zu vertrauen, der in allen Wissenschaften wohl erfahren und streng und fest in Zucht und Sitten sei, und da hat er gemeint, Einer, der in Schulpfordta auf der Lehrbank gesessen, der müsse solchen Platz auszufüllen vermögen. Darum
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