140 fertigen Rahmen und Borderqabeln werden dann in besonderen Apparaten Schlag-, Stoß- und Vibrationsproben ausgesetzt, ohne welche keiner dieser Theile die Fabrik verläßt, und welche jede dem gewöhnlichen Auge noch so verborgene und unkennbare Schwäche oder Fehler aufweisen, wie jeden Mangel an Stcif- deit und Festigkeit unbarmherzig aufdeckcn. Unterdessen werden von flinken Händen die Naben mittelst der spinnwebedünnen Stahl- speiche mit der Radfelge verflochten. Nach eingehenden Versuchen zieht es die Fabnk^vors nur Shesfielder Tiegelgnß Stahir draht zu den Speichen zu verwenden, trotz der erheblichen Mehrkosten. Ununterbrochen kreisen dann in diesen Räumen die Räder unter den prüfenden Augen der Spanner, bis sie kreisrund und fertig der Controle übergeben werden. Da diese Arbeit große Geschicklichkeit und ein Vernickelung. Object XV. sicheres Auge erfordert, bilden diese Spanner fast eine eigene Kaste und sind nicht wenig stolz auf ihre größere oder geringere Fertigkeit. Die anderen Theile aber, die bestimmt sind, im fertigen „Waffenrad" lustig rollend den Touristen, den Geschäftsmann pfeilschnell über Berg und Thal oder von den entferntesten Vorstädten in die Arbeitsccntren der Großstädte zu tragen, sie werden jetzt in einem eigenen, großen Fabriks-Gebäude von besonders geübten Arbeitern je nach ihrer Bestimmung in Specialöfen erhitzt, um dann in Oel, Talg, Wasser, Quecksilber und allen möglichen Lösungen, welche das Geheimniß einer jeder Fabrik bilden, erstarrend ihren glasharten Panzer zu erhalte«. Für sie beginnt dann das Haupt- erproben. Mit Fallgewichten, Biege-Apparaten oder Schlagwerken wird die Güte und Tiefe der Härte controlirt. Bei allen reibenden Theilen dagegen, wie Naben, Achsen und Kugelschalen, werden die Präcisions- Stahlkugeln hinein- gegeben und mit dem doppelten Gewichte des schwersten Fahrers belastet, und müssen diese Theile in eigenen Apparaten einer Entfernung von 1000 Kilom. entsprechend rollen, ohne Aenderung aufzuweisen, ehe sie als gut angenommen werden. Nunmehr kann zu dem Zusammenfugen der Bestandtheile geschritten werden. Bei der vollendeten Präcision und der absoluten Verwechselbarkeit der Theile ist dies eine leichte Arbeit, die nur der Controle wegen vorgenommen wird, und doch wieder mühsam, wenn man bedenkt, daß ein modernes Fahrrad aus circa 1200 Theilen besteht. Wiederum werden die Räder dann zerlegt, alle blanken Theile bekommen unter blitzschnell rotirenden Scheiben aus Filz oder Leder eine spiegelblanke Glättung; kein Riß, kein Kratzer darf bleiben, soll das ! fertige Product die letzte Controle passiren. Jetzt sind die Theile genügend vorbereitet, ihre silber- blanke, elegante Hülle auf- zunehmen. Ein Kupferüberzug, den die Waffenfabrik trotz der großen Kosten, und trotzdem die meisten Fahrradwerke ihn zu ersparen suchen, nirgends unterläßt, sichert dem stets porösen Nickelüberzug absolute Haltbarkeit und dauernden Schutz gegen Rost. Flinke Frauen- hände bringen in dieser Ab' theilung die Pedale und Naben, die Schrauben und Muttern von Wanne zu Wanne, von Bad zu Bad, wo der elektrische Strom kreist und die das Auge erfreuenden Niederschläge hervorzaubert. Die Nahmen und Räder dagegen werden nach sorgfältigster Polirung und Reinigung mit ihrem schwarz glänzenden Lackgewand versehen. Von großer Wichtigkeit ist Hiebei die genaueste Säuberung von allen fettigen Bestandtheilen und Unreinigkeiten, da nur dann der Lack dauernd haftet. In genau temperirten Gas- und Wasseröfen, die in absolut staubfreien Räumen aufgestellt sind, erfolgt dann dieser letzte Proceß, gleichsam als ein langsames Backen. Vier- bis fünfmal wird dieser Vorgang erneuert und nach jedem Mal wieder die Unebenheiten mit feinstem Bimssteinmehl ver- schliffen, wieder mit Lack überzogen, in die Oefen gegeben, bis nach der letzten Decke eine tadellose Fläche zum Vorschein kommt. Die Erhitzung in den Oefen erfolgt in der Waffen- fabrik nur langsam bei mäßiger Temperatur. Wohl suchen einzelne Firmen durch hohe Hitze diese Arbeit zu beschleunigen, stets jedoch auf Kosten des feinen Ueberzuges, der nothwendigerweise dadurch rissig und spröde wird. Nun werden die Maschinen endgiltig zusammengestellt, zum letzteumale auf tadellose Ausführung und leichtes Spiel der Räder, Pedale und Steuertheile, wie des Getriebes geprüft, dann sorgfältigst mit zähem, glattem Papier umwickelt, und in Verschlügen bestens geschützt, rollen sie auf der Eisenbahn in alle Weltgegenden ab. Bei der großen Erzeugung der Waffenfabrik sind selbstverständlich auch die Vorräthe stets bedeutend und je nach ihrer Beschaffenheit in besonderen Lagerräumen untergebracht. Am sorgfältigsten werden naturgemäß bezüglich der Aufbewahrung die Gummitheile behandelt, welche in dunklen Räumen, in denen jahraus jahrein die Temperatur gewissenhaft auf gleicher Höhe erhalten bleibt, aufgespeichert liegen. An dieser Stelle dürften einige Mittheilungen über die Fahrrad-Industrie von Interesse sein, welche dem darin in den verschiedenen Ländern angelegten Capital nach viel bedeutender ist, als die meisten Leute vielleicht glauben. Es sind nämlich die Verhältnisse dieser Industrie, die an Saison undMode gekettet sind, wesentlich von denen aller anderen verschieden. Wie diese Mode entsteht, wer könnte das sagen? Im Herbste bildet sie sich heran; im Winter, zur Zeit der großen Fahrrad-Ausstellungen in London und Paris, ist sie plötzlich da, und nun heißt es in Tag- und Nachtarbeit ihr bei den neuen Modellen Rechnung zu tragen, die ja von dem Publicum, kaum daß der Schnee schmilzt, schon mit Ungeduld erwartet werden. Keine leichte Aufgabe fällt hiebet den technischen Leitern der betreffenden Werke zu, denn in der kürzesten Zeit heißt es, sich entscheiden und das Nichtige treffen, da ein Fehlgriff in der kurzen Frist gar nicht wieder gut zu machen und das ganze Fabricat in Frage stellen wurde. Obwohl bei der Präcision der Arbeit und der Vollendung der Construction eines modernen Fahrrades man kaum an die Möglich: keit einer Verbesserung glauben sollte, bringt jeder Tag deren zahllose, und alle müssen sorgfältigst auf ihren wirklichen Wert geprüft und gesichtet werden. Zu Versuchen, bei denen in anderen Industrie-Gebieten Monate gebraucht werden, stehen hier nur Tage zur Verfügung. fewXwf « .0o( 141 Zum Schlüsse mögen einige Zeilen von der Größe und Bedeutung der Werke der österr. Waffenfabrik ein ungefähres Bild geben. In 24 Fabrikswerken, Objecte genannt, mit zahllosen Nebengebäuden, sind zu Zeiten größter Thätigkeit mehr als 10.000 Menschen beschäftigt gewesen, von denen ein großer Theil in den 160 der Fabrik gehörenden Wohnhäusern und Arbeiterheimen ihre Unterkunft fanden. 14 Wasserräder, 6 große Turbinen, 23 Dampfmaschinen und Gasmotoren, 8 Elektromotoren geben bis zu 3000 Pferdekräfte und setzen die gegen 6000 zählenden Werkzeugmaschinen der Objecte in Bewegung. Seit ihrem Bestände hat die Fabrik 4 1/2 Millionen Gulden an Steuern bezahlt und über 60 Millionen Gulden fremdes Geld ins Land gebracht. [ Verpackung. Object XV Zur Zeit herrscht in allen Werken fieberhafte emsige Thätigkeit, da vier verschiedene Güvehrsysteme neben den zahlreichen Fahrräder - Modellen, Maschinen der Druckereibranche, neben Revolvern, automatischenPistolen und Stichwaffen in Ausführung sind. Wenn man abends den Flußlauf verfolgend an den Werken entlang wandert und die tageshell erleuchteten Riesengebände ihre elektrischen Lichtstrahlen auswerfen, aus den Schmieden die rothen Feuerschlünde der Schmiedefeuer leuchten und die svrühenden Funken aus den Schloten schießen, dann wird der Beschauer voll Bewunderung erfüllt von dem Menschenfleiß, der diese Stätte modernster Massenfabrication in unserer alterthttmlichen Stadt entstehen und zu dieser Größe anwachsen ließ.
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2