138 139 Wir meinen nämlich die Fahrrad- Abtheilung^ der österr. Waffenfabriks- Gesellschaft in Steyr, welche durch die Fräserei dev Naben in Letten. fachkundige, vorzügliche technische Leitung des Ober-Ingenieurs Walter Barthelmes zu einem am Weltmarkt concurrenzfähigeu Etablissement erster Größe gestaltet wurde. Bei dem allgemeinen Interesse, das man diesem Industriezweige entgegenbringt, hoffen wir keinen Fehlgriff zu thun, wenn wir im Folgenden einen kleinen Rundgang durch die Haupterzeugungsstätten der Fahrradbestandtheilemachen, um- somehr, als zur eingehenden Besichtigung aller einzelnen Werke, in denen dieselben neben den Waffentheilen und anderen mannigfachen Artikeln erzeugt werden, der Zeitraum einer Woche kaum ausreichen würde. Das gesammte Rohmate- riaOür die „Waffenrad"- Erzeugung wird beim Eingang von den Hüttenwerken und Lieferanten sorgfältigst ausgesucht und eingehenden Proben in der.mit allen möglichen Apparaten und Maschinen reich 'ausgestalteten Versuchsanstalt der Waffen- faUT7 unterworfen, deren Prüfungsmaschinen ebenso die feinsten Stahlfäden für Fahrrad-Speichen und Gewehrfedern, als auch die schwersten Schmiedestücke für Gehäuse und | tigen Zangen die glühenden Stählstangen Gewehrläufe spielend zerreißen und zerdrücken. | aus deu Herdfeuern und unter die anfDie große Prüsungsmaschine hat allein bis zu 50.000 Kilogramm Zerreißkrast. Mit Per- spectiv, Mikroskop, Mikrometer und chemisch wird hier Festigkeit, Elasticität, Contraction, Dehnung, Biegung, Proportionalitäts- grenze und chemische Beschaffenheit festgeflellt, die Bruchfläche untersucht und das Material gesichtet, für gut befunden oder verworfen. Erst bei vollkommenem Entsprechen gelangen die Lieferungen zur Ausgabe, ohne jedoch dadurch der Controle dieser Anstalt entrückt zu sei», die während der ganzen Erzeugung die einzelnen Mate- riale noch fortwährend nach jeder in den Werken erfolgten Formveränderung durch Stichproben im Auge behält. Das Material, das diesen strengen Prüfungen stand- hält, nehmen nun die mächtigen Schmieden in Steyr und Letten auf, wo der Stahl in großen Feuern, die von Holzkohlen aus den reichen Wäldern der Umgebung genährt werden, sorgfältigst erhitzt und unter gewaltigen Hämmern in die mannigfachsten Formen verwandelt wird. An 70 Dampf-, Feder-, Luft- und Fallhämmer, nebst achtzig Pressen, Stanzen und Walzen arbeiten in diesen Objecten. Tosender Lärm erschallt hier und rastlos bringen rauchgeschwärzte Schmiede mit kräfRäderfpannen. Object xim. und niedersausenden Bärgewichte der Schmiedehämmer. Von dort werden die vorgeformten Bestandtheile in die zahlreichen Werksgebäude befördert, wo riesige Räume mit Fräs-, Stoß-, Dreh-, Bohr- und Schleifmaschinen von fast allen existirenden Formen und Größen angefüllt stehen. Hier wandern die Theile rastlos von Maschine zu Maschine, von Arbeiter zu Arbeiter, stets neue Schnitte und Formen erhaltend und immerfort von dem wachsamen Auge der Controle durch ununterbrochene Stichproben und Messungen auf die Richtigkeit der erfolgten Formgebung geprüft. Wir befinden uns hier voll und ganz in dem Reiche der Massenfabrication, jener neuen Erzengungsweise, die zuerst in Europa von der Waffeufabrik zu Steyr ihrer vollen Bedeutung nach erkannt und nunmehr vor fast dreißig Jahren von Amerika in Oesterreich eingeführt wurde. Wie ein Wald von Riemen, kreisenden Fräsern und Werkzeugen und rastlos hin- und hergehenden Maschinen- gliedern muthen uns diese Räume an. In Holzkästchen vereint, sieht man hier Gewehrhülsen, dort Fahrrad-Naben ihre ruhelose Wanderung von Werk zu Werk und von Fabriksraum zu Fabriksraum fortsetzen, bis sie in fertiger Form Lackir-Oefen. Objectiv. ihrer>ndgiltigen Bestimmung zugesührt werden I rönnen, sei es zum mörderischen Kriegswerkzeuge, | ^^^^ sei es zum friedlichen „Waffenrad". Wie weit hierbei die Arbeitstheilung, dasGrundprincip der Massenfabrication, durchgeführt ih, mag daraus erhellen, daß Theile wie die Naben bis zur Fertigstellung circa 40 Maschinen und die Hände eben so vieler Arbeiter zu durchlaufen haben. Doch jetzt beginnt die mühsamste, die größte Gewissenhaftigkeit und Gewandtheit verlangende Arbeit des Zusammenfügens der einzelnen Fahrradtheile durch Lothen in Feuern mit besonders zusammengesetztem Loth, je nach Bestimmung zum Nahmen, zur Lenkstange oder zur Vorder- - gäbet. Bei dem allgemein verlängken^eich- ten Gewicht der Räder von heutzutage und den dadurch bedingten dt'lnnwandigen Stahlrohren, können zu dieser Arbeit nur die geschicktesten Arbeiter Verwendung finden. In genauen Vorrichtungen eingespannt, erfolgt das Löthen dieser Theile und das Erkalten- lassen, um absolute - Uebereinstimmung der verschiedenen Punkte zu einander zu sichern. — Nur durch diese Fabri- cationsweisen kann die präcise normale Lage der Achsen zuIdemMahmen nnd die parallele Lage der^Achsen zueinander gesichert sein. Die
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