Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1897

130 131 In Kirchdorf starb am 10. Juni die geachtete Frau Anna Frusek, geb. Adler, k. k. Bezirkssecretärs-Witwe, im 83. Lebensjahre. In Spital am Pyhrn wurde am 10. Juni ein ziemlich starkes Erdbeben verspürt. Zu Steyr fand am 11. Juni die Trauung des Musiklehrers Moriz Groß an er mit Fräulein Barbara Holderer, Geschmeide- warenhändlers-Tochter, statt. Der hochwürdige Pfarrer und Dechant Norbert Purschka in Waldueukirchen feierte am 11. Juni sein 60jähriges Priester- Jubiläum. Aus diesem Anlässe versammelten sich schon amVorabende die Gemeindevertretung, die Kirchenväter, der Ortsschulrath sammt Lehrkörper, die Feuerwehr und andere Corpo- rationen im Pfarrhofe, um ihrem allverehrten Pfarrer die innigsten Glückwünsche zum Ausdrucke zu bringen. Bei Eintritt der Dunkelheit wurde der Ort prächtig beleuchtet und die Feuerwehr veranstaltete einen Fackelzug, wobei die Musikcapelle dem hochwürdigen Jubilanten eine Serenade bereitete. Pöllerschüsse und Tag- reveille am folgenden Morgen eröffneten den eigentlichen Festtag. Um 8 Uhr- fand das Hochamt statt, welchem 24 Geistliche, darunter Hochwürden Canonicus Dürrnberger aus Steyr, sowie der k. k. Bezirkshauptmann von Kirchdorf und viele Andächtige beiwohnten. Die ergreifende Festpredigt hielt der hochwürdige Dechant Lintl aus Molln. Nach Beendigung der kirchliche Feier vereinigte ein fröhliches Mahl die Feftgäste, wobei auch zahlreiche Beglück- wünschungs-Telegramme und -Schreiben zur Verlesung kamen. In einem Walde bei Reichraming ward am 12. Juni die 74 Jahre alte Barbara Uuterba chberg er, Gattin eines Kleinhaus- besitzers in Reichraming, an einem Busche erhängt aufgefunden. Dieselbe dürfte sich aus Lebensüberdruß entleibt haben. Am 14. Juni unternahm der Sichrer Gewerbevereitt eine Fahrt nach Nürnberg zur dortigen Gewerbe-Ausstellung. Prächtiges Wetter begünstigte das Unternehmen, das für die Theilnehmer sich überaus interessant und lehrreich gestaltete. Am selben Tage feierte die F r e i w i l l i g e Feuerwehr in Loserrsteiu das Fest ihres 25jährigen Bestandes. Dieselbe brächte aus diesem Anlässe am Vorabende ihrem hochverdienten Commandanten Sturmberger eine musikalische Serenade mit Fackelzug dar. Als der Zug am Rückwege beim Trücklbäck vorbeimarschirte, gab der Trücklbäck-Sohn Franz Muckenhuber mehrere Freudenschüsse ab. Der unvorsichtige Schütze hatte aber hiezu scharfgeladene Schrottpatronrn verwendet und überdies das Gewehr gegen den Zug gerichtet. Elf Personen wurden durch diese Schüsse theils schwer und theils leicht verletzt. Glücklicher Weise kamen aber Alle mit dem Leben davon. Muckenhuber wurde vom Bezirksgerichte Weher zum Schadenersatz und zu sechs Wochen Arrest verurtheilt. Durch dieses Vorkommniß war zwar die Stimmung am Festtage selbst etwas getrübt, trotzdem aber nahm das Fest weiterhin einen schönen Verlauf. Die bejahrte Hausbesitzerin Elisabeth Po in tu er in Pichlern wurde am 15. Juni durch einen umstürzenden Kasten erschlagen. Der Kopf derselben war zu einer formlosen Masse zerquetscht. In Garsten starb am 16. Juni der allseits geachtete k. k. Strafanstalts-Controlor Josef Sackt im Alter von 48 Jahren. Die Leiche wurde nach Steyr überführt und es be- theiligte sich am Begräbniß nebst vielen anderen Leidtragenden auch das Osficierscorps des in Steyr garnisonirenden Jäger-Bataillons, da Sackt k. u. k. Oberlieutenant d. R. im 14. Jnfanterie-Regimente war. Eine Abtheilung des Jäger-Bataillons gab am offenen Grabe eine Ehrensalve ab. Der Messerfabrikant Karl S t e i n d l e g g e r, langjähriger Vorsteher der Messerer-Genoffeu- schaft und durch 30 Jahre gewesenes Mitglied des Gemeinderathes von Ternberg, sowie Hausbesitzer Johann Stübinger, Mitglied des Gemeinderathes Ternberg, beide in Tratten- bach, wurden in Würdigung und Anerkennung ihres vielfach ersprießlichen Wirkens für das Gemeindewohl, insbesonders auch bei Errichtung der Bahnstatlon und des Postamtes Trattenbach und bei Gründung der Freiwilligen Feuerwehr zu Ehrenbürgern der Gemeinde Ternberg ernannt. Die hübschen Diplome (aus der Haas'schen Buchdruckerei und Lithographie) wurden denselben am 16. Juni durch den Bürgermeister Alois Au er im Beisein mehrerer Gemeinderäthe überreicht. Der Gastwirth Josef Hinter! ei thu er in Losensteinleithen fiel am 16. Juni vom Heuboden seines Hauses auf eine Futterschneid- lade (Futterstock) herab. Hiebei stieß er sich den Stiel der Schiebgabel des Futterstockes zwischen den Nippen durch in die Lunge, wodurch er sich schwer verletzte. DasFladenhubergut in Picherbach wurde am 16. Juni durch Blitzschlag total eingeäschert. Das Vieh konnte bis auf ein Rind gerettet werden. Am Brandplatze waren die Freiwilligen Feuerwehren von Kematen und Neuhofen schnellstens erschienen und leisteten bestens Dienste. Der Kaiser hat Mitte April dem vom oberösterreichischen Landtage beschlossenen Ge- etzentwurfe, betreffend die Auseinanderlegung )er Ortsgemeinde Weyer in zwei selbstständige Ortsgemeinden: „Marktgemeinde Weyer" und „Landgemeinde Weyer", die Sanction ertheilt. Am 17. Juni wurde in Windischgarsterr Frau Auguste Zeller, Gattin des Avothekers und Bürgermeisters des Marktes, begraben. Sie erfreute sich in allen Kreisen ungeschmälerter Hochachtung. In Folge Blitzschlages bräunte am 17. Juni das Moosbaue rngut bei Windisch- garsteu gänzlich ab. Den Besitzern sowie den Dienstboten verbrannte Hiebei die ganze Habe. Ueberdies gingen auch vier Kälber und zwei Schweine zu Grunde. Am 18. Juni starb in Steyr der Hausund Kalkofen-Besitzer Josef Leopoldseder in seinem 73. Lebensjahre. Derselbe war ein weit und breit bekannter Geschäftsmann, der sich wegen seines ehrenhaften Charakters allseits großer Achtung erfreute. Der k. k.Gefangenaufseher Johann M u st er der Strafanstalt Garsten feierte mit seiner Frau Leopoldine am 18. Juni die silberne Hochzeit. Der in der Sitzung des Gemeinderathes am 19. Juni zur Kenntniß genommene Hauptrechnungsabschluß pro 1895 der Stadtgemeinde Steyr weist einen Activstand von 1,717.745 st. 21 kr. und einen Passivstand von 1,282.916 fl. 89 kr. Das Reinvermögen beträgt 434.768 fl. Das dem Johann Hegmüller gehörige Brandmayergut in Sattledt bei Krems- münster brannte am 19. Juni ab. Während eines Gewitters schlug am 20. Juni der Blitz in daS Untersteiuer- gut Nr. 14 zu Neustift und zündete, in Folge dessen das Anwesen bis auf den Grund ab- brannte. Das Vieh konnte gerettet werden, doch entstand immerhin ein Schaden von 1500 fl. Der 5t Jahre alte Maurer Wenzel Stanek erschoß sich am 20. Juni Nachts am Fuße der Kegelmairleiten bei Steyr. In einem Anfälle geistiger Störung dürfte der Mann den Selbstmord ausgeführt haben. In Gnus fand am 22. Juni die Trauung des Fräuleins Johanna List, Tochter des k. k.Erbpostmcisters Johann List daselbst, mit dem Landesgerichtsrathe i. P. Edmund Schmidel in Steyr statt. Die Mitbesitzerin des Hoiseckergutes in Schwödiau bei Losensteinleithen, Maria Dann er, erhängte sich am 22. Juni in Folge Trübsinnes. Auf dem Heimwege fiel am 22. Juni der Schleifergehilfe Franz Weichselbaumer zu Neuzeug in die Steyr und ertrank. In der Pfarrkirche zu Kirchdorf fand am 23. Juni die Vermälung des Fräuleins Betti Hawlik, Tochter des verstorbenen laud- gräflich Fürstenberg'schen Forstverwalters aus Roith, mit dem Kaufmann und Hausbesitzer Raimund Kremsmüller aus Micheldorf statt. In einer Jauchegrube zu Pichlern ertrank am 27. Juni das anderthalbjährige Kind des Arbeiters Steffin. Am selben Tage kaufte die Gesellschaft Sommer & Comp. in Saaz von Wilhelm Klein in Steyr die k. k. priv. Messingfabrik rn Reichraming um 180.000 fl. In der Nacht zum 28. Juni wurde in Stein der Bauernknecht Johann Mitter- lechner während einer Rauferei erstochen. „ Die Steyrer Liedertafel unternahm am 28. und 29. Juni eine Sängerfahrt nach Gmunden, woselbst sie einen sehr herzlichen Empfang fand. Unter ungewöhnlich zahlreicher Betheiligung auswärtiger Vereine und der Bewohnerschaft der Stadt und ihrer Umgebung beging der Militär-Veteranenverein in Steyr am 28. und 29. Juni das Fest seines 30jährigen Bestandes und die Weihe der neuen Vereins- fahne. Die Stadt hatte hiezu reichen Festschmuck angelegt. Schon am Samstag trafen fremde Veteranenvereine ein, die vom Empfangs- Comite herzlich begrüßt und in die Stadt geleitet wurden. An diesem Abend fand ein großer musikalischer Zapfenstreich mit Fackelzug statt. Unter Vorantritt ihrer Musikcapelle marschirten die mit bunten Lampions ausgerüsteten Veteranen über die Promenade in das. Schloß, um der Fahnenpathin, Frau Excellenz Gräfin Lamberg-Lamberg, eine Serenade darzubringen. Nach derselben durchzog der Verein unter klingendem Spiele die Stadt und die Vorstädte. Eine Tagreveille leitete den eigentlichen Festtag ein. Die Früh- züge der beiden Bahnen brachten nun in rascher Folge noch viele auswärtige Vereine, denen allen ein herzlicher Empfang bereitet wurde. Vom Wieserfeldplatz aus begaben sich um halb 11 Uhr der jubilirende und sämmtliche auswärtige Vereine, sowie das Bürgercorps, der Gesellenverein und der katholische Arbeiterverein unter den Klängen mehrerer Musikcapellen in geschlossenem Zuge auf den Stadtplatz zur Feldmesse, woselbst seitens der Feuerwehr der Festplatz durch Leinen abgesperrt worden war. Voran ritten ein Herold, Bannerträger, Fanfarenbläser und Landsknechte in mittelalterlichen Costümen. Kurz nachdem die Vereine Aufstellung genommen hatten, fuhren in offener Equipage die Frau Fahnenpathin Exc. Gräfin Lamberg-Lamberg und Exc. Graf Lamberg vor, die vom Vorstände des Vereines M. Pilot begrüßt und sodann durch eine reizende Schaar weißgekleideter Ehrenjung- frauen zum aufgestellten Baldachin geführt wurden. Während der nunmehr folgenden Feldmesse, welche Hochwürden Canonicus Dürruberger celebrirte, gab das Bürgercorps die üblichen Dechargen ab. Nach beendigtem Gottesdienste hielt der hochw. Canonicus die Festrede, welcher die Weihe der Fahne und das übliche Nägeleinschlagen folgte. Fräulein Josesine Tu reck trug sodann ein vom Lehrer Riener verfaßtes Festgedicht vor. Nach beendigter Feier fand die Defilirung der Vereine statt, von denen 35 von auswärts (bei 600 Mann) mit 26 Fahnen anwesend waren. Mittags war im Saale des Gesellenhaus - Vereines eine Festtafel, bei welcher mehrere Toaste ausgebracht wurden. Das Festconcert, welches Nachmittags im Casino ab- gehalten wurde, fand einen zahlreichen Besuch, welcher der coucertireudenCapelle wiederholt An- erkenuung zollte. So sehr der erste Festtag vom Wetter begünstigt war, ebenso beeinträchtigt

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