Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1897

100 101 sah der alte Vollbrecht Gerölle und Stein- blöcke sich aufthürmen und er schritt darauf zu, nachdem er vorher einen neuen, sehr harzreichen Spähn angezündet hatte, dessen Größe eine ziemlich lange Brenndauer erwarten ließ. Plötzlich blieb der Alte wie angewurzelt stehen, seine Augen starr auf einen Felsblock von halber Manneshöhe gerichtet, auf dem er eine kleine Gestalt zu erkennen glaubte, wie er vermeinte, die eines Kindes, das merkwürdigerweise gerade hier einen sehr gesunden Schlaf that. Allein als er leise näher trat und nun besser sehen konnte, hätte der Förster beinahe die Leuchte fallen lassen, und ein neuerlicher, langer und prüfender Blick auf das vermeintliche Kind jagte ihm, dem sonst furchtlosen Manne, einen solchen Schreck ein, daß er sich versucht fühlte, eiligst davon und aus der Höhle zu laufen. Was der alte Förster sah, war auch seltsam genug und hätte wohl auch anderen Sterblichen das Gruseln gelernt, denn das schlafende Wesen, das etwa die Größe eines I'/-—2 jährigen Kindes hatte, erwies sich als Zwerglein mit langein, weißem Bart und Haar, welch' letzteres in üppiger Fülle unter der schwarzen zipfeligen Mütze hervorquoll, und das Antlitz des Zwerges zeigte, daß derselbe hoch au Jahren sein mußte. Das Zwerglein, das wie die Bergknappen bekleidet, nur daß dessen Kleidung gar so viel fein und säuberlich war, schlief, und seine tiefen, regelmäßigen Athemzüge ließe» den Förster erkennen, daß es, ungestört, sobald nicht erwachen iverde. Das beruhigte ihn und der alte Vollbrecht fand schnell seine Kühnheit und Entschlossenheit wieder. „Das ist kein Mensch wie ich", dachte der Förster, indem er das Zwerglein sich näher besah, „gewiß nicht, das ist ein Bergmännchen, von denen ich gar oft erzählen hörte. Hab' aber nicht daran glauben mögen! Gott stehe mir bei!" Und er bekreuzigte sich fromm. „Hm", machte er es dann, „hab' mein Lebtag gehört, daß die Bergmännchen den Menschen nicht schlecht gesinnt sind, allerlei wissen, was der Verstand von Unsereins nicht begreift und gerne den Men schenkindern helfen in Noth und Plag' — wie wär's, wenn ich es finge und seine Kenntnisse auf die Probe stellte? Noch einen Augenblick besann sich der Förster, denn eine innere Stimme warnte ihn, nnt einem Wesen anzubinden, dessen Kräfte er nicht kannte, die kecke Abenteuerlust überwog aber in ihm, wohl auch hatte er so seine bestimmten Absichten mit dem Bergmännchen, kurz, plötzlich beugte sich der Förster zu dem Schlafeudeu herab, packte ihn mit seiner nervigen rechten Faust sehr unsanft an, hob ihn zu sich empor und leuchtete ihm mit der linken Hand in das Gesicht. ♦ Das kleine Wesen begann auch sogleich zu zappeln, und mit seinem dünnen aber tiefen Sümmchen stieß es erschreckt Laute aus, wobei es sich aus der Faust des Försters loszumacheu suchte, was ihm aber nicht gelang. .Fürchte Dich nicht, Bergmanderl", sagte der Förster jetzt, als er die angstvollen Blicke gewahrte, die ihm das kleine Wesen zusandte, . ich thu' Dir nichts zu Leide — bin kein Wicht — hab' aber noch nie Deinesgleichen gesehen — mußt also nicht ungehalten sein, so ich Dich etwan hab' recht garstig erschreckt!" Das Bergmännchen mochte diesen Worten Vertrauen schenken, denn es stellte seine Versuche, loszukommen, ein, ließ sich ruhig vor dem Gesichte des > Försters hoch halten und sah diesen flehentlich an. Nachdem aber der Förster das kleine Ding nicht los ließ, schien dem Bergmännchen die Zeit doch etwas lange zu werden und es sagte endlich mit deutlicher Stimme: „Nun denn, Förster, der Du, wie ich sehe, einer bist, jetzt hast mich wohl lang genug angeschaut - lass' mich endlich los!" „Was gibst Du mir dafür?" fragte der Förster, in welchem zum erstenmale in seinem Leben die Habsucht sich zeigte. „Könnte auch ohne Lösegeld loskommen", meinte das Bergmännchen flink dagegen. „Versuch's", sagte der Förster, dem bei dem Worte „Lösegeld" ein, wie ihm schien, sehr guter Gedanke überkam und drückte seine Finger besser und kräftiger in das Gewand des Kleinen. „Hab wohl ein Mittel gegen Deine Zauberei!" Und er sah auf das Kreuzlein hinab, das er an einer Schnur um den Hals trug. Das Bergmännchen lächelte "fast geringschätzend und mochte gar wohl er- kannt haben, worauf der Förster abzielte, denn es meinte: „Bemühe Dich nicht, Förster — auch mtt Bergmännchen beweisen die Allmacht oottes, sind auch seine Geschöpfe und - t^oen Gott den Herrn — s o war's nicht gemeint! In d e r Stunde kann ich Dir aber nicht aus, so Du mich uicht freiwillig losgiebst —. aber, Dienst gegen Dienst — was gilt's?" Der Förster dachte nach, was er von seinem kleinen Gefangenen wohl verlangen könnte dafür, daß er ihn losließ, Gold oder ein Arzneimittel für seine Kranke zu Haus, denn die Bergmännchen kennen nicht nur die Schätze der Natur, sondern auch deren Kräfte. Der Gedanke, daß er für Gold auch ein Heilmittel kaufen könne, überwog, und er kam daher rasch zu einem Entschlüsse. „Ich bin ein armer Mann", sagte er nachdenklich, „hab zu Haus uicht Geld für deu Bader uoch für Arznei, die meine arme Tochter so dringend bedarf — Du kennst ja wohl die Orte da drinnen im Gestein, wo Edelmetall zu finden ist, he?" Das Bergmännchen nickte nur. „Gut", meinte der Förster, „so verschaff mir ein Stück Gold — nicht groß, will keinen Reichthum, nur daß es langt im Haus auf bessere Zeiten — bin ich unbescheiden, Bergmanderl?" „Nein", sagte der Kleine gelassen, „also, schließen >vir ab — ich zeig Dir, was Du brauchst, wo es zu finden — dann laßt mich aber los?" „Ein Mann, ein Wort", verpflichtete sich der Förster, „auf Ehr und Glauben!' „Trag' mich gegen den Eingang dieser Höhle", sagte nun das Berg- männchen und wies mit seinem Zeige- fingerchen, wohin ihn der Förster tragen solle, was dieser folgsam that. Knapp an der Einmündung des schmalen Ganges, durch den der Förster in die Höhle gekommen war, sagte das Bergmännchen: „Bücke Dich und sieh' zu —!" Der Förster steckte die Leuchte ins Gestein und bückte sich, das Bergmännchen aber festhaltend. Ein Ausruf der Ueberraschung und hellster Freude entschlüpfte dem Alten jetzt, denn im Geröll am Boden, das sich wie ausgewaschener grober Flußsand ansah, glitzerten und flimmerten runde, gelbe Dingerchen. „Ei", sagte der Förster, ein solches gelbes Stücklein aufhebend, „das sind

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