60 der Forstgehilfe erweist sich als Freier, der erste ist also da. Ob er der richtige ist? Dem Alten huscht ein Aprilwettcr über das Gesicht, Regen und Sonnenschein zugleich und nur mit Mühe kämpft er die Rührung hinunter. Das verdammte Augenwasser!-------- »Na, und was sagt denn meine Tochter dazu?" „Mit Verlaub, Herr Förster, sie hat nicht nein gesagt!" „So, so, da hat ,man' sich also vorher schon seiner Sache vergewissert und ich soll auf den Zwanqwechsel ae- legt werden!" „Verzeihen, Herr Förster, ich habe das erste Wort in Gegenwart der Mutter an Engerl gerichtet und hätte wohl wenn Sle anwesend gewesen wären, Sie zuerst gefragt, obzwar es immer klüger wäre, vorzubeugen, um von der schließlich vergrämten Tochter keinen Korb zu erhalten." „Na, ist schon gut, mein lieber Sausewind!" Der Forstgehilse schildert nun seine Verhältnisse, die ihm gestatten, noch vor der Beförderung zum Forstwart zu heiraten. Uebrigens werden seine Eitern jedenfalls vorher selber aus Franken kommen und das Nähere mit den Eltern der Verlobten vereinbaren. „Was sagt denn Engerl zu dieser Geschichte?" „Mutter und Tochter sind, Ihre Zustimmung vorbehalten, einverstanden!" „Also gut gezielt und brav geschossen!" — War das ein fröhliches, wenn auch einfaches Mahl! . Und dann der Spaziergang nach Tisch hinaus in den grünen Bergwald, das junge - Paar voraus, die Eltern hinterdrein. Engerl hat sich rasch drein- gefundeu und gefällt ihr die Brautschaft ganz vorzüglich, sie gesteht auch willig ein, daß der Hubert ihr schon beim ersten Besuch so viel gut gefallen hätte, aber sie hätte doch nicht geglaubt, daß er um sie anhalten würde, weil der Hubert — wie süß das klingt! — sich nicht mehr in der Wartei habe sehen lassen. Und nun diese Ueberraschung! Zizipeh, Zizipeh! rufen die Meisen und äugen verwundert nach dem jungen Menschenpaare, das sich eben küßte. Der erste Engerlkuß! Wie sich die Wald- vögelchen freuen! Dort schmettert ein Finkenhähnchen die Freudenbotschaft in den Wald, hoch in den Lüften tirillirt die Lerche, die Amsel flötet süße Minnelieder, es singt und klingt der Wald und 's Engerl zwitschert mit! Welche Seligkeit! Doch mahnt nicht das Dienstgewissen, auch einmal auf den Zeitmesser zu gucken? O, Du lieber Herrgott von Mannheim-Ansbach! Aus dem dienstfreien Vormittag ist ein langer Nachmittag geworden und bis der Gehilfe heimtommt in die Ramsau ist es Abend. Die erste Trennung nach süßen Stunden! Aber es muß sein, der Dienst ruft. Also rasch Abschied genommen von der Braut und den Eltern. Still ist 's Engerl mit den Eltern jeimgekehrt und entgegen sonstigem Gebrauch hat sich das Mädchen in das Kämmerchen zurückgezogen. Schon will der Vater nach der Tochter rufen, doch die Försterin meint: „Lass' sie ausweinen, herber Schmerz und große Freude bringen Thränen!" n. Die Hofjagdaufseher des Bezirkes Hinterste und Ramsau haben nacheinander übereinstimmend Meldung erstattet, daß sich am Hochkalter und den Zugangthälern ein mit seltener Local- kenntniß ausgerüsteter Wilderer herum- treibe, den man aber leider noch nicht einzufangen vermochte. Der Forstmeister wettert und flucht höllisch, denn im Ofenthal ist der beste Gemsenstand und das fehlte gerade noch, daß ein niederträchtiger Lump im Lieblingsrevier des Königs Sr. Majestät die stärksten Böcke weg- schießt. Daher wird ein gründlicher Streifgang mit verschiedenen Treffungen angeordnet, der sich bis hinüber in's Wimbachthal und zum Diglbach erstrecken soll. Hiezu wird das gesammte Personal aufgeboten und auch der Forstgehilfe muß die Kanzlei' verlassen und Revierdienst machen. Nach dem Detailplan trifft ihn die Revidierung des Ofenthales bis' hinan zum Hochkalter, und zwar auf zweimal vierundzwanzig Stunden. So sehr den guten verliebten Hubert dieser Dienstgang freut, der ihm Bewegung und Gelegenheit gibt, sich durch Einfangung eines notorischen Wilderers auszuzeichnen, so wenig paßt ihm die Ausdehnung dieser Revierbeobachtung durch längere Zeit, denn, nach dem letzterhaltenen Briefe zu urtheilen, dürften übermorgen seine Eltern in der Ramsau eintreffen und zu ihrem Empfang möchte Hubert doch gerne anwesend sein. Er wollte aber doch nichts dem Forstmeister sagen, weil durch ein Ausspringen der ganze Streifungsplan zerstört würde. Das ist nicht angängig, der Dienst verlangt das Opfer und die Eltern müssen eben warten, bis Hubert heim kommt. Bedächtig und möglichst Deckung haltend, steigt der Forstgehilfe in's Ofen- thal ein, um ungesehen in's Gamsrevier zu gelangen. Wiewohl aus Franken, wo die Gemsen wanken (fehlen), stammend, hat Hubert doch vortrefflich gelernt, im Hochgebirge den Forst- und Jagdschutzdienst auszuüben. Am späten Nachmittag, als die herbstlich gewordene Sonne hinter den Stock der Reuteralpe gesunken war, erreichte Hubert die Grenze des Baumwuchses und sofort suchte er mit dem Glase das Terrain sorgfältigst ab. Der unbekannte Wilderer ist offenbar nich da. Hubert sucht eine Gufel, um dort Schutz vor Thau und eventuellem Regen während der Nacht zu finden und hat auch bald das Gewünschte entdeckt. Bequem ist dieses Nachtquartier gerade nicht, der Forstgehilfe muß zusammengekauert liegen, wenn er die Steiudecke schützend über sich haben will. 61 Aber gut gedeckt ist er, der Wilderer müßte Luchsaugen haben, wenn er entdecken kann, daß ein Jäger in der Felsnische liege. Hubert horchte lange hinaus in die Nacht, bevor er dieses felsige Nachtquartier bezog, dann wurde im Finstern die kleine Mahlzeit verzehrt und ein Schluck Enzian daraufgesetzt und dann „zu Bett" gegangen. Bis vor Tagesanbruch kann er wohl und ohne Dienstverletzung schlafen, weil ja auch ein Wilderer ohne Büchsenlicht nichts unternehmen kann. Wenn Hubert während dieser unge- müthlichen Nacht doch ab und zu ein erquickendes Engerlsbusserl haben könnte! Herrgott, wär' das was gutes! Aber noch lieber wäre ihm, wenn er schon morgen den Kerl abfaugen und einliefern könnte! Es dämmert, kalt wird es wie immer bei Tagesanbruch und im ersten Morgengrauen pirscht sich der Forstgehilfe in die Latschen, um dort bei gutem Auslug und eventuell Ausschuß und doch einigermaßen verblendet, zu warten, ob der Wilderer just ihn anlaufen werde. Die Kugel ist im Lauf und auch eine Schrotpatrone ist eingeschoben in die treue Büchsflinte. Ein trüber Morgen ist's, noch regnet es nicht, aber der Himmel hängt voll schwerer Regenwolken, der Wind bläst steif am Südwest und wirre Nebenballeu wogen im Thale. Wenn der Kerl von der Jagd etwas versteht, läßt er bei solch' drohendem Unwetter die Gamspirsch bleiben, denkt der Forstgehilfe, der für sein Leben gern unten wäre, aber treu im Dienst ausharrt. Es ist auch völlig gleichgiltig, ob der Lump kommt oder nicht, der Forstgehilfe muß ja doch heroben bleiben, bis die Generalstreife beendet ist. Wenn nur der Himmel ein Einsehen hätte! Er verkündet am schwarzgranen Horizont nichts gutes. Was kommt denn dort am Karende gegen die Latschen zn? Alle Wetter, ein pirschender Wilderer! Soll Allmeyer ihn „arbeiten" lassen oder warten, bis der Lump den Wechsel zn ihm her an- nimmt? Wer weiß, ob er soweit her-
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