52 „Spotte nur zu und übertreibe wie immer! Davon sagst Du aber kein Wort, welche Angst eine Jägersfrau aussteht, wenn der Gatte draußen ist im Revier, in den wilden Bergen herumsteigt, sein Leben wagt in Ausübung des strengen Dienstes!" „Mach' mir den Beruf nicht schlecht, Alte, es ist bei allen Strapazen doch der schönste und wer den Wald liebt, das Wild und die Berge, der ist kein schlechter Mensch!" „Gewiß hast Du Recht und als Förstersfrau habe auch ich den grünen Beruf lieben gelernt und fühle mich heute so glücklich in unserer Bergeinsamkeit wie in der ersten Stunde, in welcher wir einzogen in unser Waldheim. Doch das Disputiren hat keinen Zweck, warten wir ab, was die Zukunft bringt, Gott wird Alles zum besten lenken!" „Das hoffe auch ich!" Eben tritt Engerl in die Stube, munter ein Liebchen trällernd. „Zwitschert mein Waldvögelchen wieder froh und munter?" fragt der Förster. „Gewiß, Papa, warum soll ich nicht froh und guter Dinge sein, mir fehlt ja nichts auf Erden, ich hab' die besten Eltern von der ganzen Welt, die schönste Heimat und ein Leben ohne Sorg', warum soll ich da nicht singen und zum Himmelvater jubiliren, daß er es so gut mit mir meint?" „Sing nur zu, Waldvögelein! Vielleicht ersingst Du Dir auch 'mal einen braven Mann!" „Uh! Das passirt durchaus nicht, Väterchen, ich will auch keinen Mann und will auch nicht fort von Euch, kaun es auchnirgends besserhaben, als bei Euch!" Und wie ein Vögelchen fliegt 's Engerl dem Papa an den Hals und 53 Zu fragen, wer draußen wär', das ist in der Gegend der Ehrlichkeit und des Biedersinnes überflüssig, der alte Förster schließt sofort auf und der Schein der Wandlaterne fällt auf die kräftige Gestalt eines jungen Mannes in Bergtracht. „ ., ,. „Guten Abend, Herr Förster, ich bin der neue Forstgehilfe von Ramsau und habe Ihnen zu vermelden, daß Sie norgen auf's Forstamt kommen sollen. Herr Forstmeister läßt bestens grüßen!" „Schön, doch kommen S' auf einen Augenblick herein, einen Schluck Bier schlägt kein Forstgehilfe aus, was?" Der Förster führt den späten Ankömmling in die Stube, hintendrein folgen die Dackel, die den Jägersmann sofort durch Wedeln der Standarte begrüßen. „Der neue Forstgehilfe von Ramsau!" stellt der Förster den Fremden seinen Damey vor und nimmt ihm das Gewehr nebst Hut ab. Herzlich wird der Gast bewillkommt und Engerl bringt schleunigst eine frische Flasche Gerstensaft herbei, indeß die Försterin den Forstgehilfen nöthigt, Platz zu nehmen. „Ob der Herr Forstgehilfe doch wohl im Finstern den Weg heraufgefunden hätte," fragt die Försterin, und ehe noch dieser antworten kann, nimmt der Förster das Wort zur Frage, „ob denn etwas Besonderes passirt sei, weil der Forstmeister noch so spät Abends Heraufschicke?" Hat der Forstgehilfe aber die Fragen nicht gehört oder hat es ihm die Sprache verschlagen, ist er stumm . geworden oder taub? Blind ist er sicher nicht, denn seine Augen hängen an der schönen Tochter des Försters und eine Art Verklärung überzieht sein Gesicht, so was Holdes und Liebliches hat er noch nicht erschaut, Engerl's Liebreiz umfängt ihn voll und ganz und läßt ihm Alles um ihn her vergessen Wie graziös das Mädchen das Glas füllt und ihm an- bietet! ' Er muß dankend zugreifen, aber seine j doch sonst so ruhige Hand zittert und vor gibt ihm einen schallenden Schmatz auf die buschigen Lippen, so rasch und ungestüm, daß dem Alten schier die Pfeife aus der Hand gefallen ist. „Schon gut, Engerl, nicht so hastig, Engel müssen sanfter küssen!" „Gelt, Vaterl, Du schickst mich nicht fort?!" schmeichelt das Mädchen. „Nein, nein!" „Hab' Dank dafür. Herzenspapa!" „Und ich, wo bleibt die Mutter, Engerl?" schmollt scherzend die Försterin. „Du bist und bleibst mein Herzens- mamerl!" lacht Engerl und flattert der Mutter an die Brust. „Wie die Tannenmeise von Ast zu Ast, vou Zweig zu Zweig — Gott erhalte Dich immer so, mein Kind!" sagt der Förster und verklärt ruhen seine Augen auf dem lieben Kinde, das eng an Mütterchen geschmiegt mit halbem Gesichtchen Papa entgegen'acht. Draußen ist es Nacht geworden, grau verschwommen ragen die Berg- colosse in die Höhe, schier hinan zu deu schwach blinkenden Sternen, tiefes Dunkel liegt über dem Thal und über Wald und Flur. An manchem Gehöft blinkt trauliches Licht, durch rothe Vorhänge gedämpft. Eine stille Sommernacht umfängt das Gelände, nur der Bergwind rauscht im Hochwald und seufzt in den Schrofen des Edelweißlahnerkopfes. Knirschende Schritte schwergenagelter Bergschnhe auf dem Steinpflaster vor dem Forsthause werden laut und gleich darauf pocht es kräftig an der Hausthüre, die beiden Dackel der Wartei werden augenblicklich hoch und stürmen unter Hellem Geläute aus der Küche, wo sie eben an der Schüssel um das Mahl sich gebalgt, zur Thüre. In der Wohnstube ist's Engerl erschrocken aufgefahren und hat sich von Muttern losgelöst. Der Förster ist rasch in den Flur getreten, um die scharf Appell gebenden Hunde zurückzurufen. Gehorsam gehen sie auch zurück, aber lassen die Thüre nicht anp den Augen.
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