Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1897

66 Försters Engerl gemahnt auch in der lieblichen Erscheinung an die zarte Frühlingsblume, die der Stelle entsproß, auf der Narkissos verschmachtete, als er, der schöne Sohn des Flußgottes Kephiffos, sich beim Anblick seines Bildes im Wasser in sich selbst verliebte und von namenloser Sehnsucht erfaßt wurde. Ein reizend herangewachsenes Mädchen, das zarte, etwas bleiche Gesichtchen von hellblonden Zöpfen umrahmt, schlank die weiche Gestalt, die personificirte Lieblichkeit oder, wie der Forstmeister von Ramsau zu sagen Pflegte, ein „duftiges Mädel", bei dem man höllisch Acht geben muß, daß es nicht „verduftet". Die Burschen der Gegend, die sich von jeh' durch sakrische. Schneid und prachtvollen Wuchs auszeichnen, kann man keineswegs Schmachtlappen nennen, aber nach dein Engerl schmachtete schier jeder heiratsfähige Bursch, wenn es auch kein Verschmachten war, wie beim Narkissos, von dem die Grafschaftsbnben blutwenig wissen. Mit diesem duftigen Engerl zu verduften, möchte Jeder, sogar der gestrenge Forstmeister drüben in der grünen Ramsau, wenn er nicht schon dem silbernen Hochzeitsjubiläum nahestünde. Das Herz dieses lieblichen Mädchenengels ist noch unberührt von Liebe, das weiß man in der Grafschaft und was sich die Bauernburschen selbersagenmüssen, ist, daß das Engerl, wenn es auch in der Wildniß der Forstwartei aufgewachsen ist, doch viel zu fein ist, um eine Oberländler Bäuerin abzugeben. War's Engerl doch zwei Jahre im Institut der englischen Fräulein, wo's Engerl englisch oder sonst was gelernt haben muß, weil 's hie und da anders als berchtes- gadnerisch redet. Die Lebzeltenhandlerin am Kunterweg, die an Feiertagen Rosenkränze und lebzelterne „Busserln" verkauft, ist der 'Meinung, daß 's Förster- Engerl die Sprache der Engeln spricht und läßt sich in dieser Meinung umso- weniger irr machen, als 's Engerl ihr auch auf jedem Kirchgang um etliche Pfennige etwas abkauft. Meistens nimmt 's Engerl die süßen „Busserln", um welche die Buben gar so betteln können, weniger wegen des G'schlcckes, als um nur überhaupt mit dem süßen Mädel plaudern zu können. Wie sie da bitten, die Spitzbuben, um die Engerlbusscrl und wenn sie dann das Lebzeltendiug in den Mund stecken, da denkt sich sicher Jeder, ein wirkliches Busserl vom Engerl müßt tausendmal besser und süßer schmecken. Aber da bleibt Einem der Schnabel sauber, beim Engerl wird so wenig geküßt, wie beim Pater gewildert. Es hat auch schon einmal ein besonders genäschiger Bursche aus dem Pinzgau d'rüben im Oesterreichischen probirt, dem Engerl, das ihm höllisch in die Augen stach, einen Kuß zu rauben, aber bevor er die lüsternen Lippen auf den Rosenmund des Försterkindes legen konnte, hatte er die kleine Engelsfaust so fest im Gesicht, daß der Pinzgauer die Engel im Himmel singen hörte. So schnell war noch Keiner wieder über die bayerisch-österreichische Grenze, wie selber Pinzgauer, und grollend sangen ihm die Ramsauer und Taubeu- seer Burschen nach: Die süßesten Busserln San ollweil vom Engerl, Ma spllart aber a Ihre Watsch'n*) a wengerl. Natürlich mit vollstem Recht, denn was ihnen verwehrt ist, wird doch kein Fremder bekommen, an« allerwenigsten einer von „drenten",der gar kein Bayrischer ist. Der soll nur schauen, daß er eine Pinzgauerin kriegt, die sich seine Schmatz auf den Mund 'naufpappen laßt, die bayrischen Buben küssen die bayrischen Mädchen schon selber, d. h. wenn sie dürfen. Der schneidige und kräftige Hieb des Engerls in das breite Pinzgauer Gesicht hatte dein Mädel vollste Sympathie der allzeit schlagfertigen Bevölkerung eingetragen, aber auch eine etwas *) Watsche = Ohrfeige. strengere Beaufsichtigung, denn Vater Förster will derartige Dinge nicht in Wiederholung erleben. So ein Hieb ist ja ganz in ' der Ordnung, aber man weiß nie, was daraus werden kann. Daher geht entweder die Mutter mit zur Kirche oder wen« Besuch in Ramsau oder beim alten Förster in Hinterste gemacht wird, oder es begleitet der Vater selbst sein herziges Engerl, die Augen stolz auf die prächtige Gestalt der Tochter gerichtet. Auf solchen Spazicrgängen in froher Sommerszeit schlich sich manchmal doch so etwas wie Wehmuth in's Vaterherz bei dem Gedanken, daß es Bestimmung des Weibes sei, Vater und Mutter zu verlassen, um dem Gatten zu folgen. Wenn sein Engerl aus dem Haust ist, dann ist auch der Sounenglanz seiner alten Tage für immer geschwunden, öd' und leer wird es im stillen Forsthause sein, allein sind dann wieder die Eltern, alt und gebrechlich, ganz anders, als sie srohbeherzt in sinniger Minne aufzogen in der Wartei, ein treu liebendes Paar allein im Forsthause, die junge Gattin des Abends ausschauend, ob der geliebte Mann noch nicht zurückkehre aus dem grünen Revier: Welche Freude damals, wenn der „Hirschmann", der brave Schweißhund, der nun auch schon im Walde begraben ist, laut Hatz gab beim Anblick des Frauerls und munter an der Försterin emporsprang. Und welche Freudenzeit war es doch, als Angelika zur Welt kam als dritter Hausbewohner, um den sich Alles drehte. Wie froh war das Vaterherz bewegt, wenn er die Kleine aus dem Bettcheu hvb und abküßte nach Herzenslust, indeß das zierliche Ding mit den Füßchen strampelte und mit den Patschhändchen nach dem struppigen Bart des Vaters griff. Wie ein Traum ist's dem Förster, schier zwanzig Jahre sind verflossen, wie eine holde Bergblume ist das Kind yerangewachsen und zur lieblichen Jung- lrau erblüht. Und wie lang noch wird ste in elterlicher Hut bleiben? Freilich 81 wird so schnell kein Freier in's Haus kommen, eiu Fremder findet ja kaum die stille Forstwartei drinnen in den Bergen und für Bauern ist diese Mädchenrose nicht gewachsen. Aber Vater und Mutter sind grau im Haar geworden, der Himmel nur kann wissen, wie viel Jährchen ihnen noch gegönnt sind vom Herrn über Leben und Tod. Bei traulichem Lampenschein in der wohnlichen Stube raucht des Abends der alte Förster sein Pfeifchen und fleißig wie immer sitzt die Försterin bei der nie ruhenden Handarbeit, indeß Engerl in derWiche hantirt, um Mütterchen die häuslichen Arbeiten zu erleichtern. Ein braves Ding wär' das Engerl wirklich, meint der Förster, wacker im Schaffen und brav im Sinn, da könnte sich Jeder gratuliren, der eine solch' tüchtige Hausfrau bekommt. Und die Mutter ist der gleichen Meinung, nur glaubt sie nicht, daß die Freier haufenweise in die stille Forstwartei kommen werden. „Na, na, haufenweise möchte ich sie auch nicht angerückt kommen sehen, mir ist Einer schon zu viel; wenn es der Rechte ist, heißt es ja doch scheiden und das Herzblatt hergeben!" sagt gutmüthig der Förster und ein leiser Seufzer begleitet seine Worte. „Hast Recht, Alter, auch mir thäte das Scheiden im Herzen weh, aber wenn es zum Glück ist für unser Kind, dann muß auch dieses Opfer gebracht werden," erwidert die Försterin. „Ich will nur hoffen, daß es einer von der grünen Gilde ist, der das herzige Mädel kriegt!" „Du bist doch ein rechter Egoist!" lacht die Försterin. „Wieso?" „Na, weil Du sie keinem anderen gönnst als wieder einem Berufsgenossen. Es gibt doch auch noch in anderen Ständen und Berufsarten brave junge Männer — —" „Gewiß, aber ich glaube nicht, daß Hosräthe um's Engerl anhalten werden!" 4*

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2