Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1897

46 schlummer die Augen aufschlug, war es ihm, als neige sich Emma's geliebtes Antlitz über ihn, aber er kam nicht völlig zum Bewußtsein. Wie er des Morgens aufwachte, dachte er unwillkürlich an die nächtliche Erscheinung. Seine Gedanken waren in all' diesen Tagen oft und viel, im Wachen und Schlafen bei ihr, aber noch nie hatte sie so lebhaft vor ihm gestanden; oder war es eine Vision gewesen? Da höcte er einen leisen Schritt neben sich und vor ihm stand — „Emma!" schrie er auf und fuhr empor. Er glaubte iy diesem Moment ernstlich an Visionen. Aber die Gestalt war eine einfache Schwester vom rothen Kreuz. Jetzt legte sie den Finger an den Mund und gebot ihm dadurch, sich still zu verhalten. Er sank in die Kissen zurück, seine brennende Wunde zwang ihn dazu. Da beugte sich die Schwester dicht zu ihm herab und sprach leise: „Verrathen Sie mich nicht, ich könnte Sie sonst nicht mehr pflegen." „Mein guter Engel!" flüsterte er bewegt und griff nach ihrer Hand, sie aber zog diese schnell aus der seinen und ging an das nächste Bett. Also, sie war es wirklich, sie war gekommen, ihn zu Pflegen, zu retten. Sie, die Stolze, die Unnahbare. Er wagte es kaum zu denken. Er halte also wirklich den Sieg über dieses verschlossene Mädchen - herz errungen? oder galt ihr Kommen nicht ihm allein? Hatte sie ihre Dienste dem Vaterland gewidmet ohne anderen Beweggrund. Er wußte, daß sie eine feurige Patriotin war. Wohl hatte sie ihn einst viel hoffen lassen, aber vielleicht war's nur gewesen, um ihn anzustacheln, seine äußerste Kraft im Dienst des Vaterlandes aufzubieten. Er wußte nicht, was er denken, hoffen durfte. Sie verpflegte alle unter ihrer Aufsicht stehenden Ver wundeten mit gleicher unermüdlicher Sorgfalt, aber sie bewahrte auch ihre alte Unnahbarkeit. Wenn er sie fragen wollte, sagte sie, der Arzt habe das Sprechen verboten; und als dieser erklärte, keine Gefahr mehr darin finden zu können, machte sie sich immer bei den Andern zu thun. So entwischte sie ihm immer wieder und er fand keine Gelegenheit, sich aus- zusprechen. Endlich war er so weit hergestellt, daß er das Lazareth verlassen konnte. Er beschloß, vor seiner Abreise um jeden Preis mit ihr zu reden, ob sie seiner ini Ernst gedenke? Aber am letzten Tag ließ sie sich durch eine andere Pflegerin vertreten und er mußte fortgehen ohne Abschied. — — —-------------------------------- Wieder sind Monate vergangen. Es ist Hochsommer, wie vor'm Jahr, da die Kriegsbotschast das deutsche Land auf- rüttelte. Die Stadt prangt in Festesschmuck; denn heut zogen die Truppen ein, die tapferen Solvatenschaaren, die Kumorriftrsches. Katate Wirkung. Notar: „Geben Sie mir jetzt die Urkunde her zum Unterschreiben. Aber, was haben Sie denn damit gemacht? Haben Sie Wasser darüber hinuntergeschüttet ? Schreiber: „Ach, entschuldigen Sie, Herr Notar, bei der Stelle, welche den Dienstboten des verstorbenen Ochsen- wirths freie Wohnung und gute reichliche Kost bis an ihr Lebensende zusichert, i't mir das Wasser so im Mund- zn- sammeugelaufen, daß es aufs Papier tropfte. 47 sich den Frieden, die Einigkeit, den Kaiser erstritten. Der deutsche Aar hebt stolz die Schwingen der Sonne entgegen, die mit frendigem Schein das siegreiche Land beglänzt. Auch in die Fenster des Heineck'schen Hauses lacht sie herein, wirft tanzende Lichter über den grauen Scheitel des alten Majors und über die neue Uniform des neugebackenen Hauplmann's von Wellheim, an dessen Brust das eiserne Kreuz prangt. „Ja! Mein lieber Junge!" sagt der Major herzlich. „Sie haben sich brav gehalten, und wenn das Mädel Sie mag, ich enthalte Euch meinen Segen nicht vor!" Da geht die Thür auf und Emma kommt schüchtern herein. Leo tritt rasch auf sie zu: „Der Marienthaler, den Sie mir einst zum Schutz gegeben, hat mich vor dem sichern Tod bewahrt. Ihre Hand hat nachher die Fieberträume verscheucht, mir und manchem Andern. Wir haben Beide dem Vaterland unsern Arm geliehen, wir haben Beide das Beste gegeben, was wir vermocht; wollen wir nicht für's Leben zusammen bleiben, als gute Kameraden ?" Da flog sie ihm jubelnd in die Arme: „Ja, sür's Leben, einen besseren find' ich nit!" Auf der Eisenbahn. (Der Zug setzt sich unter den schrillen Tönen der Dampfpfeife in Bewegung.) Frau (sich die Ohren haltend): „Ach Herrjes, de* is aber nich zum Aushalten mit det Pfeifen!" Mann: „Wat haste denn schon wieder zu achherrjesen? Det Pfeifen geschieht, damit Keeuer unnern Wagen kommt; Du verlangst wohl, dat se vor Deine lumpige paar Jroschens de Mamsell Lucca uff de Locomotive sollen singen lassen?"

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