Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1896

28 wohl Hilfe bringen wird? Doch kein Zweifel, es handelt sich ja um sein eigen Kind! Immer schrecklicher wird das Wetter. Es regt sich der furchtbare Firnpanzer die Eismassen werden lebendig, dort stürzen von den Spitzen des Fernerkopfes wuchtige Trümmer herab und bersten im Aufprall. Neue Spalten thun sich auf, und schaurig rauscht das unheimliche Gewässer. Immer dichter wirbelt der Schnee auf das tückische Eis, gleißend die Gefahren des Gletschers verdeckend. Was ist der Mensch in dieser gräßlichen Eiswüste? Fuchs erkennt die furchtbare Gefahr; sie ist schon da, der Rückweg kann zum Todesgang werden. Es wird die höchste Zeit, die Thalsohle wieder aufzusuchen. Aber ist das arme Zischkerl dann nicht verloren? Wie die Spalte wiederfinden, wenn Blasi jetzt von seinem Stand weg geht? Vielleicht lebt sie noch, vielleicht ist sie zu retten und wenn nicht lebend, so doch todt für ein ehrlich Begräbniß in geweihter Erde. „Mag kommen, was will.: ich bleibe Mein Leben steht in Gottes Hand! Und geh' ich zu Grunde im Eise, dann ist eben nur ein Finanzer weniger auf der Welt!“ So denkt der Tapfere und blickt immer angestrengt in den gähnenden Gletscher schlund Mittlerweile wird es droben am Joch lebendig trotz dem furchtbaren Schneesturme. Auf der Paßhöhe wimmeln, schwarzen Punkten gleich, Menschen, die ihr Leben auf's Spiel setzen, wenn sie jetzt den Ueber¬ gang wagen. Es sind die versprengten Schwärzer, die mit ihren Päcken vorrücken das Schleichgut auf Tiroler Boden zu bringen. Vorsichtig tasten sie mit ihren langen Stöcken und prüfen die Schneedecke sorgsam, Schritt für Schritt — ein einziger Fehltritt und das Leben ist verloren. Dem Fuchs ist's, als hätte er einen menschlichen Laut vernommen. Sollt' er vom Zischkerl gekommen sein? Er blickt, so weit es der wüthende Schneesturm ge¬ stattet, über das Eisfeld. — Ha, was ist das? Die Schwärzer kommen! Sie halten den alten Wechsel, sie wissen von den neuen Spalten nichts. Soll er sie warnen? Soll er Feuer geben, um das Schleichgut zu bekommen? Unsinn, wo er selber und die Leute in schlimmster Lebensgefahr sind! Fuchs schreit in lang gezogenen Tönen einen Warnungsruf hinüber. Die Schwärzer stutzen, sie haben wohl eher an des Himmels Einsturz geglaubt, als an die Anwesenheit eines Finanzers auf dem Eisfeld bei solchem Sturm. Aber der Finanzer legt das Gewehr ab, winkt ihnen zu, daß sie von ihm nichts zu befürchten haben — ja, er winkt ihnen, herbeizueilen und deutet in die Gletscher¬ spalte Trotz der Beschleunigung geht der Marsch unsäglich langsam vorwärts eine neue Spalte mußte mit Sack und Pack übersprungen werden, bis endlich der kleine Trupp bei Fuchs steht, der den Leuten versichert, er werde sie wegen der Schwärzerei unbehelligt lassen, nur müßten sie ihm helfen, Zischkerl aus der Tiefe herauf¬ zuholen. Ob sie Stricke hätten? Ja, und rasch werden sie zusammengebunden zum angen Seil. Immer finsterer wird's im Schneesturm, aber Fuchs wagt sein Leben. Er läßt sich an das Seil binden, ein paar Bergstöcke werden mit aller Körperkraft in das Eis gerammt, das Seil darum geschlungen, an dem der muthige Finanzer langsam in den Gletschergrund hinabgelassen wird. Bange Erwartung liegt auf den Gesichtern der wetterharten Schwärzer, ob das Rettungs¬ werk gelingen wird. Immer tiefer! Nur noch wenige Meter Seil sind zum Nachlassen, dann hat's ein Ende, es fehlt an Stricken. Aber plötzlich läßt die Straffheit des Seiles nach, der Angeseilte muß festen Boden haben und teht vermuthlich auf einem Eisvorsprung Ein Ruck am Seil — also nachlassen. Noch ein Ruck, er wird die Abgestürzte nun erreichen. Einer der Schwärzer liegt am Rand der Gletscherspalte und versucht, in die gähnende Tiefe zu blicken. Nichts zu hören das Rauschen einer Gletschermühle im weiten Trichter verschlingt jeden Laut. Die vom herabfließenden Gletscherwasser in dem

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