Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1896

22 Hui, wie der Vater wettert über die Abwesenheit der Tochter! Fortzugehen und so lange auszubleiben, ohne auch nur ein Wort zu sagen! „Nit bös sein, Vaterl!“ bettelt 's Zischkerl und beichtet dann, daß sie, nach¬ dem der Auftrag an den Rößlewirth aus¬ gerichtet war, auf die Alm gegangen sei „Ja, warum denn auf die Alm?“ fragt verwundert der Vater. 8 85. Go Nun zögert Zischkerl doch. Soll sie Alles sagen? Wenn sie es nicht thut, fehlt doch jede Veranlassung zum Almbesuch in später Abendstunde. So gesteht Zischkerl wahrheitsliebend wie sie ist, getreulich ein, daß sie der Sennerin helfen wollte, der die Arbeit neben der Pflege des von den Wepsen übel zugerichteten Finanzers zu viel werden mußte. „Was geht denn Di der verstochene Finanzer an?“ donnert der nun bös ge¬ wordene Vater. „Freilich nixen nitta, aber der Sennin war die Arbeit z'viel“, entschuldigt sich Zischkerl. „Larifari! Mein' Tochter ist koan' Krankenpflegerin, der grüne Tagdieb soll ich in a Spittel leg'n, wenn er so dumm ist und loßt sich von Wepsen beißen!“ Begütigend möchte die Mutter ein¬ greifen, die sich sonst völlig still verhält, da sie ungemein im Bann ihres heftigen und waghalsigen Mannes steht, der keinen Wider¬ spruch verträgt. „Alte sei stad!“ sagt Seppele, und gehorsam duckt sich sein Weib mit einem tiefen Seufzer. Nach einer Weile fragt Seppele weiter:„Was ischt's dann mit'm ver¬ bissenen Finanzer?“ „Er ischt a kurze Zeit g’legen auf Schnapfen¬ theja, und heut Abends ischt er wieder 'runter auf d' Station.“ „Der wird anders rum speculirt hab'n auf der Alp, red' Zischkerl? „Kloan zerstochen, hat der arm' Bursch kaum d' Augen auf'bracht g’wimmert hat er die meist' Zeit, aber nuit ausspecu¬ lirt! „Wer's glaubt! Finan¬ zer bleibt Finanzer, und wenn i Di no 'mal mit'm greanen Lumpen siehach, aft'n bischt d'längst Zeit im Haus gsi!“ Bekräftigend schlägt Seppele die wuchtige Faust auf den Tisch. „Und jetzt marsch ins Bett mitsamm'! Seppele's Weib besprengt sich und die Tochter mit einigen Tropfen Weihwasser aus dem Behälter neben der Stubenthüre, und Beide entfernen sich mit dem Wunsche Guate Nacht!“ Bald sind auch die Dienstboten zur Ruhe gegangen, und ruhig wird's im Ge¬ höft. Nur Seppele sitzt noch am Tisch bei

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