Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1896

16 Die Grenzer treten ins Haus in dessen Flur das Gesinde Spalier bildet. Mit vor Aufregung bebender Stimme for¬ dert der Beamte unter dem Vorweis des Visitationserlaubnißscheines die Schlüssel zu Keller und Dachboden. Seppele er¬ widert vergnüglich lächelnd, die Schlüsse seien nicht nöthig, alles wäre bereits zur Visitation offen, dem Herrn Reschpicinenten stände das ganze Haus zur Verfügung. „Vorwärts, durchsucht alles bis in der letzten Winkel!“ befiehlt der Beamte und steigt sofort in den Keller hinab, um die Durchsuchung gründlichst vorzunehmen S Fr s Au OAIMNEEN Da Was ist geschehen Kaffee. en säcke, stark nach dem frühern Inhalt rie¬ chend, aber leer, nicht eine Bohne ist zu finden! Leer die Fässer dort in der Ecke Wohin der Beamte mit der Laterne auch leuchtet: nichts von dem Schleichgut, alles leere Säcke, die nach Kaffee riechen Der Athem stockt dem Beamten —welch neuem Streich ist er zum Opfer gefallen! „Weiter suchen!“ Kästen werden durch¬ stöbert, die Betten untersucht, Strohsäcke entleert, bald ist das ganze Haus in grauenvoller Unordnung, aber nichts ist zu finden, keine Spur von Kaffee. Aber der Tabak aus der Schweiz? Der wird wohl im Dachboden untergebracht sein! Wie Katzen klettern die Finanzer die knar¬ rende Leiter empor zum Dachraume. Der Respicient kann einen Schrei der Wuth nicht unterdrücken; es riecht nach Tabak, aber die Rupfen, in denen er herüberge¬ bracht worden ist, enthalten auch kein Blättchen mehr — leer der ganze Dach¬ raum, leer die alten Kisten, verschwunden die Waaren, die dagewesen sein müssen, da der Duft noch wahrzunehmen ist Geprellt, fürchterlich geprellt ist die Finanzwache und ihr Vergeblich war Chef! das ganze Unternehmen umsonst wurde die Er¬ laubniß zur Hausdurch¬ suchung von der Landes¬ direction erwirkt. Wie die Knechte und Dirnen lachen, wie sie spotten! Der Bauer nicht zum wenigsten, der immer wieder fragt, ob der „Herr Reschpicinent“ noch immer nichts ge¬ unden habe. Wenn man diesen obersten Gauner aller Gauner niederschla¬ gen dürfte wie einen räudigen Hund, welche Wonne! Sie müssen abziehen ohne Erfolg, ausgelacht, verhöhnt und verspottet. Noch unter der Hausthüre bittet Seppele um Ueberlassung des Visitationserlaubni߬ scheines. „Etsch, etsch, etsch!“ spotten die Kinder, und die Knechte rufen: „Ummear (eigen¬ nützig) muß ma' sein, wie a Hund, dann lebt ma' wie a Herr!" Es tuscheln die geschwätzigen Weiber im reinsten Paznau¬ nerisch: „Wenn's nitta will, so taget's nitta! „Sie habet nuit derwischet!“ schreit jubelnd die Menschenmenge, welche mit Kolbenstößen auseinander getrieben werden muß, damit die vor Wuth über solchen

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