Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1896

12 Es hat mir so sehr pressiret, aus d' Alp zu kommen, daß ich gar nicht Acht gab, was für Stiefel ich anzog. Gepaßt haben sie, sü wär' die Sach' mir gleich aufg'fallen,“ versichert treuherzig der pfiffige Tiroler. „Schon gut, die plötzliche Almgeherei kennt man schon. Leugnet nicht lang,Ihr wvaret wieder Paschen, und ich werdejetzt Hausdurchsuchung vornehmen. Gib Er mir die Boden= und Kellerschlüssel freiwillig, sonst lass’ ich die Schlösser mit Gewalt aufbrechen!“ befiehlt der Beamte. Seppele zuckt mit keiner Wimper. Ganz gelassen erwidert er: „Woll, woll, Hearr, sofort und augenblicklich wird alles offen sein, sobald der Hearr Respicient den Er¬ laubnißschein von der Finanzlandes¬ direction zu einer Durchsuchung vorweisen kann. Früaher nit, Hearr, und auch nicht mit Gewalt. Alli bin noch ich Hearr im Haus. Und bis der Schein da ischt, muß ich Enk bitten, mein Haus zu verlassen. Adjes beinander!“ Damit drückte er den Beamten sammt seiner Mannschaft sanft zur Thüre hinaus. Der Respicient beißt sich die Lippe blutig, er könnte schreien vor Wuth und Aerger, von dem Malefizbauern so gründ¬ lich heimgeschickt worden zu sein. Der Lump ist in seinem Recht, man kann nichts machen, bevor der Erlaubnißschein zu einer Hausvisitation von der Direction ausgestellt ist; denn in flagranti wurde Niemand ab¬ gefaßt und auch Niemand flüchtig und im Hause Schutz suchend gesehen. Wenn der Oberschwärzer nichts im Hause hätte, würde er die Haussuchung natürlich spöttisch gestattet haben. Die Weigerung deutet auf das Vorhandensein von Contrebande, es gilt nun, von Innsbruck die Erlaubniß zu erwirken und das Haus so lange zu bewachen, bis die Haussuchung vorgenommen werden kann. Jetzt oder nie ist Seppele zu fassen! Der Respicient sendet einen Mann ab mit einer Drahtmeldung an die Direction; er soll mit Extrapost bis Landeck fahren, dort die Depesche aufgeben und auf die Draht¬ antwort warten, sodann mit Extrapost wieder hereinfahren und die Visitations¬ erlaubniß unverzüglich hieher an das Ge¬ höft des Seppele bringen, wo die Abthei¬ ung Tag und Nacht postirt bleibt, bis die Durchsuchung gesetzlich vorgenommen werden kann. Daß das Hofgesinde aus allen Fenstern und Luken auf die Belagerungsmannschaft guckte, läßt sich begreifen, weiß doch jeder Hausinsasse, wo die Kaffeesäcke und die Tabakpäcke liegen. Einstweilen hat der Bauer die Finanzer hinausgebracht, aber obald die den Schein von Innsbruck haben, geht die Geschichte los, die Waaren sind verloren und Seppele mit ihnen. Die Haus¬ leute werden nun doch ängstlich; vielleicht werden sie auch abgefaßt wegen Beihilfe und Mitwissenschaft, mit Finanzern ist ebenso wenig zu spaßen, als mit der Gendarmerie. Gelassen bleibt bloß Seppele, der seine Tochter hinüber schickt zum Wirth mit der Botschaft, er möge sofort herüber¬ kommen. Scharf mustern die im Grase liegenden Finanzer die aus dem Hause tretende Zischkerl, die den Leuten harmlos einen „Guaten Abend“ wünscht. „Die schwärzt nicht, darauf möcht' ich wetten!“ flüstert einer der Finanzer. Zierlich enteilt das schmucke Mädchen der Trisanna entlang. Der Respicient hat das Gehöft von außen untersucht und ge¬ unden, daß ein Ausgang nach hinten nicht vorhanden ist. Lediglich eine Stallthüre auf der Seite ist durch einen Mann zu besetzen; die Hauptwache kann vor die Hausthüre gelegt werden. Wenn es nicht ein Hauptspaß wäre, den Fuchs in der Falle zu wissen, und die Hoffnung auf Beuteantheil die Ge¬ müther rege hielte, das Passen vor dem Hause, voraussichtlich durch die Nacht hin¬ durch bis vielleicht zum nächsten Nach¬ mittag, könnte einem den Dienst verleiden! Die Leute kommen rein nimmer in die Federn, das kann so nicht mehr fortgehen, das sagt sich der Respicient selber. Aber Verstärkung der Wache zu verlangen, ist auch so eine eigene Sache, und bis der Antrag genehmigt wird, ist der Sommer

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