Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1896

8 fahle Blitze zucken durch die schwarzen Wolken. Gefangen! Eine wahre Wuth erfaßt den Beamten, der in seiner Stiefelnoth ein Sclave des Bergschusters geworden ist. So vergeht der Nachmittag, bis die Patrouillen von Lorein und aus dem Fimberthal zurückkommen, pudelnasse Finan¬ zer mit dem Bericht, daß keine Schmuggler wahrzunehmen waren. Flugs muß einer der Aufseher zum Schuster, um die Stiefel zu holen, gleichviel ob sie fertig sind oder S S * Ge 4 AI 50 2.-73 S □ She . 5— — nicht. Die Antwort vom alpinen Fußbe¬ kleidungskünstler machte den Respicienten hüpfen vor Wuth: Die Stiefel des Herrn Respicienten wären aus Versehen vom Lehrbuben zum Höfler Seppele getragen worden, und 's Seppele wäre gleich nach Empfang mit des Herrn Respicienten Stiefel auf die Alm gegangen! Ein Schrei der Wuth gellte durch die Finanzwach=Kaserne. Das soll der Schuft büßen! Aber nun Stiefel her, gleichgiltig von wem sie sind! Der Respicient zwängt die Füße hinein, und alle verfügbaren Mann¬ chaften müssen sofort auf's Jamthaler Joch, gleichgiltig ob die Leute müde sind zum Um¬ fallen. Es ist ja gar kein Zweifel, daß wieder einmal ein Hauptschlag abgekartet war: Seppele führt einen Zug herüber und noch dazu in den Stiefeln des Respicienten! Es ist himmelschreiend, wie frech die Lumpen sind Die Finanzer stürmen hinaus in's tosende Gewitter, um so rasch als möglich den Paß am Jamthaler Gletscher zu er¬ W 305 8 7 T ∆ 2 reichen. Das dauert aber in dem tobenden Unwetter immerhin Stunden. Der Weg ist weit und durch den strömenden Regen nicht zum besten, Bergbäche stürzen von den Hängen und vermuhren den Almpfad. Der Respicient möchte heulen vor Schmerz in den engen, fremden Stiefeln, die ihn drücken und reiben, aber der Dienst fordert unerbittlich den Marsch auf das Joch. Und wie ihn das Gefühl quält, wahrscheinlich dennoch zu spät zu kommen! Wenn freilich der Seppele erst heute Früh aufgebrochen

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