Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1896

116 In der Schwurgerichtsverhandlung zu Steyr am 25. Febrnar wurde der 16 Jahre alte Bursche Franz Ennsgraber wegen Ver¬ brechens der Brandlegung zu sechs Jahren schweren Kerkers verurtheilt. Selber hatte damit er eingesperrt werde, am 5. Jänner Nachmittags den Pöttingerstadel in Pettenbach angezündet, wodurch dieser ein Raub der Flammen wurde und der Besitzerin ein Schaden von 600 fl. erstand. — Am 1. März hatten sich die 30 Jahre alte Theresia Lengauer, zuletzt wohnhaft in Enns, und ihr Zuhälter, der Taglöhner Georg Dorfbauer, wegen Menchelmord zu verantworten. Die Beiden hatten den Gatten der Ersteren durch Arsenik vergiftet. Da die Geschwornen die auf Meuchel¬ mord lautende Hauptfrage verneinten, die Eventualfrage auf entfernte Mitschuld aber bejahten, wurden die Angeklagten dieses Ver¬ brechens für schuldig erkannt und Theresia Lengauer zu zehn Jahren und Georg Dorf¬ bauer zu zwölf Jahren schweren Kerkers ver¬ urtheilt. In der Gleinkerau bei Windischgarsten starb am 1. März Johann Brandegger, vulgo Mayrbichler Hans. Derselbe war durch seine Kunst, Beinbrüche zu heilen, eine weithin bekannte und beliebte Persönlichkeit, was auch die großartige Betheiligung an seinem Leichen¬ begängnisse bewies. Der Buchhalter bei der Gasfabrik in Steyr, Carl Molinari, wurde mit der Direction der Gasfabrik in Ischl betraut und trat seine neue Stellung am 2. März an. Die Steyrer Liedertafel, deren eifriges Mitglied er war, bereitete dem Scheidenden, der sich über¬ haupt in Steyr großer Beliebtheit erfreute, ein herzliches Valet. Am 2. März wurde in Anger bei Weyer die 73 Jahre alte Inwohnerin Juliana Sturm¬ berger durch einen Stich in die linke Hals¬ seite ermordet. Als die muthmaßliche Mörderin wurde die verheiratete Tochter der Wohnungs¬ geberin Katharina Schaupp und bald darauf ihre Mutter Katharina Ahrer verhaftet. Die durchgeführte gerichtliche Untersuchung bestätigte den bestehenden Verdacht und Katharina Schaupp legte das Geständniß ab, im Verein mit ihrer Mutter die Greisin aus Habsucht ermordet zu haben. Mutter und Tochter wurden bei der am 31. Mai wider sie durchgeführten Schwur¬ gerichtsverhandlung trotz des Leugnens der Ersteren des meuchlerischen Raubmordes, be¬ ziehungsweise desMeuchelmordes schuldig erkannt und zum Tode durch den Strang ver¬ urtheilt. Der Schwiegersohn der Ahrer, Johann wegen Verbrechens der Schaupp, erhielt Vorschubleistung zum meuchlerischen Raubmorde eine dreijährige, schwere Kerkerhaft. Seine Majestät der Kaiser begnadigte die beiden zum Tode Verurtheilten und der oberste Gerichts¬ hof erkannte bei der Katharina Ahrer aus lebenslänglichen, bei Katharina Schaupp auf zwanzigjährigen schweren Kerker. Am 3. März beehrte Josef Kubik, Betriebs=Director der k k. Staatseisenbahnen, Steyr mit seinem Besuche. Zu Steyr starb am 3. März um 6 Uhr Abends der k. k. Notar Alois Fürth im Alter von 78 Jahren. Derselbe war ein Mann von unbeugsamer Gerechtigkeitsliebe und hervor¬ ragender Bildung, ein gerader, biederer Charak ter, dem von allen, welche mit ihm in Berührung kamen, aufrichtige Hochachtung ent¬ gegengebracht wurde. Sein reger Geist und sein edles Bestreben, überall helfend einzugreifen erweckten in ihm das lebhafteste Interesse für alle öffentlichen Angelegenheiten und seine reiche Erfahrung machte seinen Rath und seine Mitwirkung äußerst werthvoll. Seine hervor¬ ragende Bildung fand die vollste Bethätigung auch im politischen Leben, in welchem er als gesinnungstreuer Mann unentwegt für die fortschrittliche Parteirichtung eintrat. Sein deutsches Nationalbewußtsein fand in der Gründung der Ortsgruppe Steyr des „Deutschen Schulvereines“ entsprechenden Ausdruck. Fürth war im Jahre 1817 in Neuhaus in Böhmen geboren, studierte an der juridischen Facultät in Prag und kam nach Vollendung seiner Studien als Secretär in das Haus des Grafen Stadion. Sein Trieb nach Unabhängigkeit bestimmte ihn jedoch bald, diese Stellung auf¬ zugeben, und er trat zum Notariat über. Im Jahre 1855 wurde er zum Notar in Waizen¬ kirchen ernannt und erhielt im Jahre 1866 das Notariat in Steyr, das er seither mit der größten Gewissenhaftigkeit und Sachkenntniß bis zu seinem Tode ausübte. Allgemein be¬ kannt war seine außerordentliche Fürsorge für eine Familie, der er der beste, liebevollste Vater war. Unter großer Theilnahme wurde die Leiche des Verblichenen am 6. Märzzu Grabe getragen. Die letzte Ehre erwiesen dem bescheidenen, anspruchslosen Manne der Bürger¬ meister Johann Redl und viele Gemeinderäthe, der k. k. Kreisgerichts-Präsident Carl Heben¬ streit mit fast sämmtlichen Beamten des Kreisgerichtes, Vertreter der oberösterreichischen Notariatskammer, die Collegen aus Steyr, Weyer und Grünburg, die Advocaten von Steyr, Vertreter des „Fortschritts=Vereines“ der Ortsgruppe des „Deutschen Schulvereines“ des Männergesangs=Vereines „Kränzchen“ eine Deputation des „Veteranen=Vereines“ und eine große Zahl Leidiragender aus dem weiten Freundeskreise. Am Grabe sang der Männer¬ gesangsverein „Kränzchen“ einen ergreifenden Trauerchor. Die durch den Rücktritt des Stadtsecretärs Fritz Hähnel in Steyr erledigte Stelle wurde gemäß einstimmigen Gemeinderaths=Beschlusses vom 19. Februar dem k. k. Bezirks=Commissär Franz Gall in Kirchdorf verliehen, was bei Allen, welche denselben kennen, freudige Zu¬ stimmung fand. In Kirchdorf, woselbst sich der Scheidende der aufrichtigsten allseitigen Sym¬ pathien erfreute, fanden diese in einem von

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