Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1896

108 Cultusgemeinde, die Familien Graf Lam¬ berg und Baron Imhof, sowie die meisten Verwandten Werndls, der Gemeinderath von Steyr mit Bürgermeister Redl und Vice¬ bürgermeister Stigler, mehrere Ehrenbürger Steyrs, Generaldirector der Wolfsegg=Trauu¬ thaler Kohlengewerkschaft Andreas Ecker und andere höhere Beamte derselben, die Spitzen der Behörden, Aemter und Unterichtsanstalten der Stadt, nebst Vertretern jener Firmen, mit welchen die Waffenfabrik in geschäftlicher Ver¬ bindung steht. Die Genannten gingen vom Rathhause aus auf den Festplatz und nahmen auf der errichteten Bühne Aufstellung.Die Bürgergarde in Parade, die beiden Gesang¬ vereine „Kränzchen“ und „Liedertafel“, der Veteranen=Verein, die Feuerwehren, der Turn¬ verein und die Arbeiterschaft der Waffenfabrik zogen von ihren Versammlungsorten theilweise mit klingendem Spiele corporativ auf den Fest¬ platz und nahmen beim Denkmal Aufstellung. Nachdem diese vollendet war, spielte die Musik¬ capelle des Bürgercorps eine Pièce, worauf Freiherr v. Tiller allen Förderern und Er¬ zeugern des Monumentes Dank sagte, die Ent¬ hüllung anordnete und es in das Eigenthum der Stadt übergab. Als die Hülle von dem Monumente fiel, ertönten brausende Hochrufe und in Aller Augen leuchtete ungeheuchelte Begeisterung. Bürgermeister Redl übernahm mit entsprechenden Worten das Monument in das Eigenthum der Stadt, worauf die beiden Männergesangsvereine den Chor „Die Ehre Gottes“ mit ergreifendem Ausdrucke sangen. Nach diesem betrat Vicebürgermeister Victor Stigler die Redner=Tribüne und hielt die chwungvolle Festrede mit weithin vernehm¬ arersonorer Stimme. Redner schilderte in selber Werndl's Leben und Wirken, seine energische Thatkraft, seine Verdienste um Stadt und Land und seine väterliche Fürsorge für die Arbeiter der Fabrik, denen er stets ein gerechter Freund war. Die Rede machte einen tiefen Eindruck und der Sprecher wurde von allen Seiten beglückwünscht. Während des nun folgenden Vortrages der Bürgercorps¬ capelle legten die Anverwandten und die Ver¬ treter von Corporationen Kränze am Monu¬ mente nieder, worauf die Vereine und die Arbeiterschaft vor dem Standbilde defilirten und ebenfalls auf dessen Sockel Kränze nieder¬ legten. Aus Anlaß dieser Enthüllungsfeier¬ lichkeit waren sämmtliche Schulen der Stadt geschlossen und die Schulkinder wurden mit einer Abbildung des Monumentes, auf deren Rückseite ein von Director Wenhart ver¬ faßtes Festgedicht gedruckt war, betheilt. Der Verein der Schulfreunde veranstaltete eine in¬ terne Feier, während welcher Vorstand Tomitz eine herzliche Ansprache hielt und nach der die Zöglinge zum Monumente zogen, um am elben einen im Vereine verfertigten Kranz niederzulegen. Abends fand im Theater eine Festvorstellung statt. —Am gleichen Tage wurde auch am Geburtshause Werndl's, Wiederfeldplatz Nr. 37, eine Gedenktafel — enthüllt. Auf Seite 95 finden die Leser die Abbildung das Werndlmonumentes und dessen Beschreibung. Bei der in Lausa am 12. November statt¬ gehabten Gemeindevorstehungs=Wahl wurde Gasthausbesitzer Ludwig Riesenberger ein¬ stimmig wieder zum Bürgermeister gewählt. Als Gemeinderäthe gingen aus der Urne her¬ vor Franz Sonnleithner, Sensenfabrikant Michael Polterauer, Besitzer der Wallmühle, Mathias Hinterplattner, Besitzer des Unterlosbichlergutes, und Josef Felbauer, Besitzer des Großmitterbergergutes. Josef Edtbauer, Besitzer des Kleinschad¬ leithnergutes bei Steinbach a. d. Steyr, er¬ hängte sich am 13. November am Futterboden seines Gutes. Am 14. November stürzte die in der Sierningerstraße Nr. 54 in Steyr wohnhaft gewesene Fabriksarbeiters=Witwe Magdalena Reiter auf der Stiege des Hauses mit einer brennenden Petroleumlampe nieder. Die Lampe zerbrach, das Petroleum gerieth in Brand und etzte auch die hölzerne Stiege und die Kleider der Frau in Flammen. Hiebei trug die Frau so chwere Brandwunden davon, daß sie am zweiten Tage nachher starb. In der Nähe der Grünwaldmühle am Ramingbache fiel am 14. November in Folge Cpilepsie die Fabriksarbeiters=Gattin Christine Haselbauer beim Wäscheabspülen in den Bach und ertrank. In Steyr starb am 15. November Nachts Franz Teplitzky, Excellenz Graf Lamberg'scher Rechnungsrath i. P., in seinem 76. Lebensjahre. Mit ihm ist ein Ehrenmann in des Wortes schönster Bedeutung dahinge¬ chieden, dem während seiner Lebzeiten die all¬ gemeinste Achtung gezollt wurde und im Tode ein ehrendes Gedenken gewahrt wird. Die all¬ gemeine Werthschätzung, welche ihm entgegen¬ gebracht wurde, fand beim Leichenbegängnisse ehrenden Ausdruck, indem sich alle Kreise der Stadt daran betheiligten. Se. Excellenz Graf Lamberg nahm daran persönlich theil, sowie der ganze Beamtenkörper und die Forstmänner der Herrschaft. Letztere trugen die Leiche zu Grabe. Eine große Menge prächtiger Kränze schmückte den Leichenwagen. Die „Steyrer Liedertafel“ sang am Grabe einen Trauerchor. Am 16. November fand bei St. Blasien eine Dammrutschung der Steyrthalbahn statt. Der kurze Zeit darauf dort anlangende Per¬ sonenzug wurde rechtzeitig angehalten. An Stelle des abgerutschten Dammes wurde eine Eisenconstruction von 12•9 Meter Lichtweite eingelegt. Am Steyr 18. November verschied in Leopold Frank, k. k. Oberrealschul=Professor im Ruhestande, im 67. Lebensjahre. Derselbe war eine allgemein bekannte und geachtete Per¬ sönlichkeit und war durch fast drei Jahrzehnte

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