Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1896

96 zu ganzen Wörtern ein, das Wortbild haftet kaiserlichen Rath Professor Franz Pönninger in seiner Erinnerung. So verlangte er täglich geleitet. Die Bronze ist etwas dunkel gehalten Wörter vorgelesen zu hören, sah dieselben auf¬ aber von bester Wirkung. merksam an, faßte auch meistens auf, was sie Das Werndl=Monument ist in der neuer vorstellten, und fand, wenn man den Gegen¬ Franz Josefstraße im Rücken des Stadtparkes tand nannte, das denselben bezeichnende Wort in Steyr aufgestellt, in der Nähe der Werndl¬ wieder. Wenn er im Kinderwagen gefahren Villa mit der Front gegen die tiefer gelegene wurde, las er die Schilder, Bücher, Zeitungen, Waffenfabrik Der Enthüllung wohnten die Placate. Alles diente seiner Liebhaberei. Kein jetzigen und die ehemaligen Arbeiter der Werndl¬ Mensch hat ihn gelehrt, die einzelnen Buch¬ fabrik, sowie die ganze Stadtvertretung mit staben zu unterscheiden, und die Eltern, ehrsame dem Directorium und den Verwaltungsräthen Wurstfabrikanten aus Braunschweig, haben das der Waffenfabriks=Actiengesellschaft bei. Kind auch nicht weiter angespornt, seine Be¬ Das Wunderkind Otto Pöhler. Ein Wunderkind. gabung nicht weiter ausgebildet. Seit einem Jahre etwa ist das „Wunderkind von Braun¬ Der dritthalb Jahre alte Knabe Otto schweig“ in Deutschland durch öffentliche Pro¬ Pöhler erregt jetzt das Staunen und die Ver¬ ductionen bekannt geworden und wird nun auch wunderung der Erwachsenen weit und breit. in Oesterreich öffentliche „Vorlesungen“ halten. Der Kleine hat nämlich nie lesen gelernt und Professor Virchow, der den kleinen Pöhler liest doch Alles perfect. Dem Bübchen ist gesehen, kann sich die Erscheinung nicht erklären, das Lesen sozusagen angeboren. Kaum war er da ihm, wie er sich ausdrückte, ein Glied in der 4½ Jahre alt und hatte die ersten Worte Kette seiner wissenschaftlichen Erfahrungen fehle, sprechen gelernt, so griff er schon zur Zeitung. um zu einem Schlusse darüber zu kommen. Der Die Unterschriften unter den Bildern von Bilder¬ Knabe, sagte Virchow, sei ein hochinteressanter büchern verlangte er kennen zu lernen, merkte Beitrag zur Erforschung der Entwicklung des sich dieselben und prägte sich nicht etwa die ein menschlichen Geistes. zelnen Buchstaben, sondern deren Gruppirung

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