Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1896

90 Im März erfolgte eine umfassende Amnestie politischer Verbrecher. Durch ein königliches Decret wurden die von dem Militärgerichte in Sicilien und in Massa=Carrara verhängten Strafen, soferne sie drei Jahre nicht über stiegen, nachgesehen und die sonstigen von dem erwähnten Gerichte verhängten Strafen um ein Drittheil herabgemindert. Königin von Holland. Als ein Zeichen dafür, daß sich Italien im Dreibund nicht allzuwohl fühle und eine An¬ näherung an Frankreich suche, wurde die Ver¬ lobung des Herzogs von Aosta mit der Prin¬ zessin Helene von Orleans gedeutet. Die Vermälung fand im Juli statt. Am 26. Mai fanden die Neuwahlen in die Kammer statt, sie ergaben, wie nicht anders vorauszusehen war, eine überwiegende mini¬ sterielle Majorität. Inwieweit sich die Hoff¬ nungen erfüllen werden, welche die Thronrede König Humbert's am 10. Juni ausdrückte, muß allerdings dahingestellt bleiben. In Spanien, dem classischen Lande der Revolution sind nach wie vor, die Bomben¬ und Dynamitattente auf der Tagesordnung. In der Bekämpfung der politischen Parteien spielt der Dolch die wichtigste Rolle. So wurde An¬ fang Juli ein socialistisches Mordattentat auf den clericalen Politiker Marquis Cubas ver¬ sucht. Dasselbe blieb aber glücklicherweise er¬ folglos. Die Corteswahlen im September brachten dem Cabinet Sagasta eine erdrückende Majorität, welche die Hoffnungen des Ministercandidaten Canovas de Castillo, in nächster Zeit das Heft in die Hand zu bekommen, überaus gründlich Lügen strafte Unter den zahlreichen Dynamitattentaten ist jenes zu erwähnen, das am 8. Jänner die Telegraphenstation zu Bilbao zerstörte und den größten Schaden verursachte. Als im Februar eine marolkanische Ge¬ sandtschaft in Madrid erschien, wurde der Führer derselben von dem General Fuentes überfallen und thätlich verletzt. Der Eventualität eines internationalen Conflictes wurde durch die Constatirung vorgebeugt, daß Fuentes geistes¬ gestört sei Die Hauptstadt der Türkei, Constanti¬ nopel, wurde im Juli durch ein furchtbares Erdbeben heimgesucht, das den Bazar von Stambul völlig verwüstete. Auch in Galata, einer hauptsächlich von Europäern bewohnter Vorstadt Constantinopels, sind zahlreiche Häuser eingestürzt. Die schreckliche Katastrophe hat über 400 Menschenleben gekostet Die Greuelthaten, die in Armenien verüb wurden, führten dank der Intervention der europäischen Mächte dazu, daß Para Theodori Pascha im Auftrage des Sultans einen Reform entwurf ausarbeitete, der den christlichen Arme¬ niern größere Gewähr für die Sicherheit ihres Lebens und ihrer wirthschaftlichen Existenz bietet. Belgien und die Niederlande. Noch immer sind Straßendemonstrationen blutige Aufläufe und Unruhen nicht von der Tagesordnung abgesetzt. Aber die internatio¬

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