Vorsitz des geheimen Rathes; Balfour, erster Lord des Schatzes; Chamberlain, Colonien Hicks=Beach, Kanzler der Schatzkammer; Goschen, Marine. Eine Zeitlang hatte es den Anschein, als ob sich aus der Affaire des Concursrichters Williams ein englisches Panama entwickeln werde. Thatsache ist es, daß in die Unregel¬ mäßigkeiten und Rechtswidrigkeiten jenes un¬ würdigen Richters mehrere Parlamentsmitglieder verwickelt waren. Weit mehr Staub wirbelte die vielbesprochene Affaire des Schriftstellers Oskar Wilde auf. Dieser begabte Mann, der ich in der neuesten Literatur eine ganz eigen¬ artige Stellung zu erwerben verstanden hat, stand unter der Anklage ganz abscheulicher Sitt¬ lichkeitsdelicte vor Gericht und wurde auch zu einer schweren Kerkerstrafe verurtheilt. Als im Monate Februar der Khedive be¬ absichtigte, den ihm von England aufgedrungenen britenfreundlichen Minister Nubar Pascha zu entlassen, da mischten sich Lord Roseberry und der englische Vertreter in Kairo, Lord Crommer, sehr energisch drein und die Folge war, daß der englische Einfluß in Egypten eine weitere Ver¬ stärkung erfuhr Mittelmeerländer. Ferner als jemals scheint Italien seiner wirthschaftlichen Gesundung. Die Hoffnungen, die man auf die Reformsysteme der verschie¬ denen Finanzminister setzte, haben sich nicht erfüllt, und die nächste Folge der finanziellen Misère bildete die stetige Steigerung der poli¬ tischen Unzufriedenheit, die in einem bedenk¬ lichen Anwachsen der socialistischen und revo¬ lutionären Elemente ihren Ausdruck fand. In Italien wirkte auch die Ermordung Carnot's ungemein beunruhigend. Die Regie¬ rung trat auch mit dem Vorschlage hervor, ein System internationaler Ueberwachung der Anar¬ chisten auszuarbeiten und ein Centralbureau für den Nachrichtenaustausch in Genf zu errichten Freilich vermochten sich diese Ideen nicht durch¬ zusetzen und man mußte sich in Italien be¬ gnügen, die eigenen Anarchistengesetze unge¬ mein zu verschärfen. Der Banca Romana=Proceß förderte immer neue Schwindel zu Tage und auch der ehe¬ 89 malige Minister Giolitti wurde durch den Ver¬ lauf desselben stark compromittirt. Die Kammer nahm über Betreiben Crispi's auch ein Gesetz an, das über socialistisch Ge¬ sinnte und den Behörden mißliebige Personen die Zulässigkeit des Zwangdomicils ausspricht Und dieses Gesetz wurde in einer durchaus nicht einwandfreien Weise ausgenützt. Drangsali¬ rungen, Verfolgungen und Einkerkerungen aller Derjenigen, die sich dem Regime Crispi mi߬ liebig gemacht hatten, waren alltägliche Ge¬ chehnisse. Die Erfolge, welche die italienische Truppe in Massauah davontrug, konnte die öffentliche Aufmerksamkeit nur ganz vorüber¬ gehend von der inneren Misère ablenken. Am 16. Juli gelang es der italienischen Truppe unter der Führung eines Oesterreichers, des Südtirolers Baratieri, die in der Stadt Kassala verschanzten Derwische zu überrumpeln und die Stadt selbst einzunehmen. Viel Aufsehen machte eine Rede, die Crispi im September in Neapel gehalten hat. Diese Rede athmete den Geist der Versöhnlich¬ keit gegenüber der römischen Curie und betonte die Nothwendigkeit, daß die bürgerliche und religiöse Autorität in Uebereinstimmung vor¬ gehen. — Der Gedenktag der Einnahme von Rom wurde von der Bevölkerung enthusiastisch gefeiert. Der November brachte jene furchtbaren Erd¬ eben, die in ganz Unteritalien, namentlich aber in Sicilien grauenerregende Verheerungen anrich¬ teten. Unterdessen war die Unzufriedenheit gegen Crispi immer ärger geworden. Die Ent¬ hüllungen des Banca Romana=Processes hatten auch ihn nicht verschont. Giolitti producirte eine Reihe von Documenten, die Crispi und seine Gemalin Lina arg compromittirten. In der Kammer kam es zu unerhörten Scandalen und der heftigst angegriffene Premier erlangte von seinem Monarchen die Vollmacht, zur Auf¬ lösung der Kammer zu schreiten. Er machte von dieser Vollmacht Gebrauch und schickte die De¬ putirten nach Hause. Zur selben Zeit ver¬ mählte Crispi seine Tochter mit einem hoch¬ stehenden Aristo kraten, dem Fürsten Linguaglossa. Unter den Gratulanten befand sich auch der deutsche Kaiser. Am 18. Jänner wurde der greise General¬ procurator von Mailand, Gennaro Celli, von einem Anarchisten ermordet.
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