Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1896

7 70 Selbstverständlich beginnen bereits die Ver¬ handlungen hinter den Coulissen behufs defini¬ tiver Besetzung, und scheint sich da die Linke jetzt nach dem Zerfalle der Coalition, wieder größeren Erwartungen hinzugeben. Auf die Ini¬ tiative und Thatkraft des neuen Ministers des Innern setzt sie gleichfalls große Hoffnungen obwohl aus der vorgebrachten Regierungser¬ klärung, die in knappen Worten den Ton au den Charakter eines Beamtenministeriums legt, nichts enthalten ist, woraus eine derartige Auf¬ fassung abgeleitet werden könnte. Die Haupt¬ G MOUWOU 277. WMGSGNE S Dr. Ed. Rittt aufgabe des neuen Cabinets ist die Erwirkung eines definitiven Budgets. Ueber den Gesammt¬ charakter des Cabinets werden erst die defini tiven Besetzungen entscheiden. Die Krone hat hiemit den besten Ausweg geschaffen, der bei der Haltlosigkeit der Partei verhältnisse und der Hilfslosigkeit des Parla ments gefunden werden konnte. Hoffentlich ist man jetzt zur Ueberzeugung gelangt, daß gegen die berechtigten Volksströmungen auch eine Coalition der Bevorzugten nichts vermag denn das Coalitions=Ministerium war schon vom ersten Tage an nicht auf Rosen gebettet Das redliche Streben der Minister findet in den kaiserlichen Handschreiben beredten Aus¬ druck, denn der Monarch spricht den meisten Ministern unter rühmenden Worten dankbare Anerkennung aus Nach Erledigung des Staatsvoranschlages wird das Haus vertagt werden, um nach Be¬ rathung des Budgets für 1896 vielleicht gänz¬ lich aufgelöst zu werden. Graf Taaffe hatte als er im November 1893 demissionirte, gesagt, er gebe dem Cabinet Windischgrätz zwei Jahre Wie man sieht, trat die Katastrophe schon viel früher ein; die eigentliche Klippe bildete die — S 2Karl Ritter Krall v. Krallenberg. Verschleppung der Wahlreform, die nun wohl bis zur Beendigung des Provisoriums im Parlamente vertagt bleibt. * * * Die Verhältnisse im Wiener Gemeinderath, die nicht einmal die Wahl eines Bürgermeisters ermöglichten, haben schließlich zu dessen Auf¬ lösung geführt. Anläßlich des Delegationscereles hat unser erhabener Monarch der Hoffnung Aus¬ druck gegegeben, daß die feindlich gegenüber¬ stehenden Parteien sich schließlich zur gemein¬ samen Arbeit zusammenfinden würden. Lebhafter und lärmender ist es freilich in der anderen Reichshälfte, in Ungarn, zugegangen.

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