Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1896

nach dem Statut für Beschlüsse des Minister¬ rathes wenigstens die Anwesenheit von vier wirklichen Ministern erforderlich sei. Anderseits verlautet, daß für ein. so wichtiges Ressort die bloß provisorische Besetzung gerade im gegen¬ wärtigen Augenblicke, wo das Budget zu ver¬ treten und das Schicksal der Steuerreform zu bestimmen ist, doch nicht gut angänglich ge¬ wesen wäre. Der Finanzminister Dr. v. Böhm=Ba¬ werk gilt mit Recht als einer der bedeutend sten Gelehrten auf dem Gebiete der Finanz¬ 2 9 Apollinar Ritter v. Jaw politik. Er ist der Verfasser der Steinbach'schen Steuerreform; seine Werke haben ihrem Autor einen europäischen Ruf geschaffen, und auf der Lehrkanzel wie im Bureau des Finanzmini¬ teriums hat er sich stets als ein hochbegabter und wissenschaftlich hervorragender Mann er¬ wiesen In den sehr schmeichelhaften Handschreiben des Kaisers ist den abgetretenen Ministern der Weg zur Rückkehr offen gelassen, nur dem Herrr v. Plener ist er verlegt worden. So zählt also das neue Cabinet vier Minister und vien Leiter von Ministerien. Es kann also natur gemäß nur ein sogenanntes Uebergangsmini sterium, ein Cabinet der Platzhalter sein, dem 69 die besten „Arbeiter“ in den verschiedenenMi¬ nisterien beigesellt sind, denn das Unterrichts¬ ministerium leitet der durch seine hervorragende Thätigkeit als Universitätsprofessor bestbekannte Dr. Eduard Rittner, das Justizministerium der durch seine codificatorischen Leistungen zu einem Gelehrtennamen gelangte Dr. Karl Kral v. Krallenberg, während der zum Leiter des Ackerbauministeriums ernannte Sectionschef Dr. Ferdinand v. Blumfeld sich durch seine frühere Thätigkeit große Verdienste um die Land= und Forstwirthschaft erworben hat % R. v. Böhm-Zawerk. Die Aufnahme des neuen Cabinetes und seines Programmes ist denn auch bisher eine relativ günstige, da gegen keines seiner Mit¬ glieder eine ernste Voreingenommenheit besteht. Nach der Parteistellung lassen sich die neuen Minister nicht sondern; die conservative Partei be¬ klagt zwar einmüthig das Ausscheiden der Grafen Schönborn und Falkenhayn, aber da nach den Versicherungen des Grafen Kielmansegg bei den derzeitigen Verhältnissen seine Minister¬ schaft und die Existenz des provisorischen Cabinets nur etwa drei Monate dauern dürfte worauf er wieder an die Spitze der Statt¬ halterei zurückkehren würde, so ist man auch auf dieser Seite bis auf Weiteres sehr resignirt.

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